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Wirren widerspiegelt, an denen wenig über hundert Jahre später das römische Volk krankt: in der römischen Geschichte ist man die Naivetät längst los, diese Wunder zu glauben; in der griechischen spuken sie noch. Aber die tendenziöse Geschichtsfabrication ist wahrlich nicht von Antias und Macer erfunden, und wo vollends die Sage mit hineinspielt, da ist ja das unbegrenzte Gebiet der unbewussten Entstellung eröffnet. Methodisch darf nur so geschlossen werden: die Geschichte vom Grenzstein am Isthmos kann nur entstanden sein, entweder als Ionien bis dahin reichte: da ist sie nicht entstanden, da existirte König Theseus überhaupt noch eben so wenig wie ein beschriebener Grenzstein oder gar ein Iambus; oder aber als man wünschte, dass Ionien bis dahin reichte: das ist eben nur in der bezeichneten Epoche der Fall. Man suchte und fand in der Sage die Begründung für den Anspruch, den man erheben wollte. Aber Nisos, der Eponymos von Nisaia, von dem doch die schöne voraischyleische Geschichte der Skylla erzählt, ist doch keine Fiction. Gewiss nicht; aber wohl Nisos des Pandion Sohn; weder Ovidius, wo er die Geschichte der Skylla erzählt noch der Dichter der Ciris kennen diese Genealogie, und hier sind wir durch Strabons Fleiß so glücklich, den Urheber der in attischem Interesse ersonnenen Annexion des fremden Landesheros zu kennen: es ist Sophokles[1]. Hier, wo wir unmittelbar in den perikleischen Kreis eingeführt werden, könnte man sich sogar versucht fühlen, an bestimmte Tendenz zu denken. Die Geschichte, dass die Megarer Athen die Insel Salamis entrissen hätten, ist eine Fabel, die die Neuern sich hätten hüten sollen noch bestimmter als die Alten aufzutischen. Unanfechtbar ist die Thatsache, dass vielmehr Salamis erst spät rechtlich in das attische Gebiet aufgegangen ist; das fünfte Jahrhundert kennt keinen Demos Salamis. Die archäologische Weisheit, die die Athener vor dem Schiedsgericht ausgekramt haben wollen, vielleicht auch ausgekramt haben, wird auch weder die Richter noch die Megarer bestimmt haben: es war

  1. Strab. IX 392 = Soph. fgm. 19. Man setzt die Verse in den Aigeus, weil dieser sie spricht. Die Tragödie scheint doch den ἀναγνωρισμός des Theseus enthalten zu haben, wie die Euripideische, denn der troizenische Fluss Tauros wird erwähnt; 23 möchte man auf die Pallantiden beziehen, 26 deutet vielleicht einmal ein Monument, es sieht doch sehr nach einem theseischen Reiseabenteuer, z. Β. Prokrustes aus; dann dürfte 819 hieher gehören. Was ich Hermes VII 142, 4 gesagt habe, ist an sich haltlos.
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diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 9 (1875). , 1875, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_9_323.png&oldid=- (Version vom 25.2.2024)