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Dionysios von Pergamon der Attiker und Caecilius, nur die grössten zu nennen, sind Attiker. Ausserdem kennen wir die Principien, auf denen das System des Apollodoros aufgebaut war, durch die Polemik des Alexander Numenius.[1] Sie sind von pedantischer Strenge. Die Rede zerfällt in vier Theile, diese sind obligatorisch und haben auch ihre feste Reihenfolge. Es ist offenbar, dass darin eine ganz scharfe Reaction gegen die casuistische Scholastik des Hermagoras liegt, eine Beschränkung auf das abstract logisch als nothwendig Erweisliche, und die Aufstellung eines festen Kanons. Das ist noch viel archaischer als die Rhetorik, mit der sich Platon im Phaidros befasst, nicht ohne die modernen Distinctionen des Theodoros und Euenos zu verlachen. Es liegt nahe, bei Apollodoros ein Zurückgehen auf die älteste Doctrin anzunehmen, und seine Schüler bedienen sich auch des Argumentes: so haben es die Alten gemacht. Dennoch mache ich jetzt den wichtigen Unterschied, dass Apollodoros zwar in seiner Sinnesart dem Classicismus angehört und, nach dieser Richtung wirken musste, wie denn die Apollodoreer klärlich Attiker sind; aber dass er die μίμησις der attischen Sprache gefordert hat, dafür fehlt jeder Anhalt.[2] Seine Doctrin gilt auch viel einseitiger als die des Hermagoras der Gerichtsrede, und von dieser Enge kann die Reform des ganzen Prosastiles nicht ausgegangen sein. Wir haben auch nicht ein Wort von ihm über die λέξις. Die Berufung auf die Alten kann sehr wohl seinen Schülern zugeschrieben werden. Immerhin hat er persönlich an dem Siege seiner Geistesrichtung auch auf sprachlichem Gebiete vermuthlich mehr Antheil als irgend ein anderer, denn er hat die rhetorische Ausbildung des Augustus geleitet, und wenn Caesar ihn seinem Erben zum Lehrer gab, so wissen wir, was er von ihm erwartete. Caesar war doch Analogetiker und im Stile der unerreichten Meister, zwar nicht classicistischer, aber classischer, im besten Sinne attischer Rede. Dazu hat ihn kein Rhetor gemacht; die Wissenschaft, die ihn gereizt hat, ist die Grammatik und zwar die alexandrinische.



  1. In der Rhetorik, die Graeven als Cornutus edirt hat. Die Hauptstelle ist 26–29.
  2. Sein Schüler Calidius wird von Cicero Brut. 274–279 ganz so geschildert wie ein wirklicher Attiker, aber der Secte gehört er nicht an. Diese Haltung des Schülers nicht auf die Lehre des Apollodoros zurückzuführen, ist eine Zumuthung, die man nicht ernst nehmen kann.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_047.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)