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und weckt Erinnerungen, Gelübde und Dank. Noch ist es nicht so weit, Parallelen zwischen 1817 und seiner Sattheit und Selbstzufriedenheit – ich erinnere an Klaus Harms bittere Reden wider die Glaubenslosigkeit unserer Tage – oder an die verordneten, wohlgesetzten Kirchengebete, die mehr ein Verzeichnis des durch die Tugend der Gläubigen Erreichten darstellen, und dem unverkennbaren Bußernste und Arbeitsmut zu ziehen, der jetzt unsere Kirche erfüllt. Aber mit hoher Freude wird man einen Gedanken begrüßen müssen, der in den Septembertagen auf der Allg. Ev.-Luth. Konferenz zu Nürnberg angeregt ward, es möchte ein Jubiläumsfonds gegründet werden, der jungen, wissenschaftlich tüchtigen Geistlichen lutherischen Bekenntnisses die akademische Laufbahn zu betreten ermögliche. Gerade weil aus liberalen Kreisen den Bekennern des alten Evangeliums das Schleiermachersche Wort vom Bündnis der Orthodoxie mit der Ignoranz und Geistesträgheit, mit der Barbarei vorgehalten wird und weil nichts wesenloser ist als der Vorwurf, Bibelglaube und Bekenntnistreue vertrügen nicht die wissenschaftliche Forschung, rufen wir mit der frohesten Zuversicht unserem theologischen Nachwuchs zu, er solle zeigen, daß nicht Religionspsychologie und Religionsgeschichte Wissenschaftlichkeit bedingen, sondern gründliche Exegese, exakte geschichtliche Forschung, systematische Begründung der Wahrheit.

 Wie viele Aufgaben warten unserer Fakultäten, Neufundierung der Glaubenslehre, weitere Erforschung der biblischen Grundbegriffe, Aufzeigung des biblischen Lehrbegriffes – es sei nur an Gloels „der heilige Geist in der Lehrverkündigung des Paulus“ erinnert! – ernste würdige Abwehr der Verflachung und Symbolisierung des Grundbekenntnisses. Darum sei der Gedanke der Allg. Ev.-Luth. Konferenz nicht als müßiger und überflüssiger beiseite gelegt, sondern freudig begrüßt und freundlich gefördert. Er will nicht Mittelmäßigkeiten züchten, sondern der Zukunft Lehrer schenken, die aus dem alten Grund Neues bauen. Freilich, Lehrgaben und Lehrerfolge schenkt Gott allein; dem Kirchenhistoriker Frank blieb versagt, was dem Systematiker in so reichem Maße geschenkt ward.

 An sich ist kaum eine Zeit geeigneter, solche Bitte und Mahnung zu unterstützen als die jetzige; einmal um der Not willen, weil die treuen, vielgeehrten und bedankten Lehrer des alten Bekenntnisses

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/8&oldid=- (Version vom 10.9.2016)