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oder das Problem der Laienpredigt zu studieren. Die Diakonissen- und Diakonenhäuser sind doch nicht nur Marksteine des wiedererwachten kirchlichen Lebens, sondern mit dem gleichen Rechte Denksteine eines nicht genug wachen. Dazu wird je länger je mehr eine große soziale Einseitigkeit und Eintönigkeit durch den Zufluß solcher herbeigeführt, die nicht aus Liebe zum Dienen überhaupt, sondern zu solchem höheren Dienste kommen. Und es ist desgleichen zu beklagen, daß die Mission, welche einst die meisten akademisch gebildeten Sendlinge hatte, ihrer immer mehr ermangelt. Aber das ist zu erbitten, daß in all diesen Werken das Bekenntnis treibende, tragende Kraft und seine Ehre und Ausbreitung Aufgabe und Ziel sei. In der äußeren Mission wird der Mangel an Bekenntnisgewißheit – wir reden nicht von äußerlich korrekter, sondern von der innerlich treibenden Kraft der Gegenliebe für das Geheimnis der Erlösung – am ehesten sich rächen. Kulturelle, zivilisatorische Arbeit unmittelbar zu treiben, kann denen nicht beschieden sein, die nur mittelbar in der Ausbreitung des Evangeliums sie zu treiben versprochen und Befehl haben. Manche verfallene Mission aus früheren Zeiten redet deutlich davon, wie Gott sein nicht spotten und Mission sich versprechen läßt, während nationalistische und kolonisatorische Gedanken im Vordergrund standen. Möge auch die mit neuem Eifer betriebene und betonte ärztliche Mission nicht einen Fremdkörper in den Missionsbetrieb einführen, sondern als heilsames Mittel zum heilsamsten Zweck sich bewähren.

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 Die Innere Mission, so nahe an den Grenzgebieten der humanitären und philanthropischen Veranstaltungen und Werke, speziell die Diakonie in der Pflege der Kranken, aus der sie vielleicht bald, wenn auch nur auf kurze Zeit, verwiesen werden wird, in der Betreuung der Gefährdeten und Gefallenen, zu der jetzt allerlei Ligen und Bündnisse nach und mit Enthüllungen und Statistiken sich drängen, die mehr Unheil stiften als die Tatsachen selbst, läuft Gefahr, zu verflachen und stumpf zu werden. Wenn in einer einzigen medizinischen Abteilung einer Diakonisse 47 Mädchen evangelischen Bekenntnisses unterkommen, die sich durch Gift aus dem Wege räumen wollten, und das in elf Monaten – so muß Gott selbst helfen, sonst vergeht man im Elend, indem man es gewöhnt, und neigt zur Beklagung des Geschickes, statt zur Aufzeigung seines

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/22&oldid=- (Version vom 10.9.2016)