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in theologische Fakultäten zugleich mit der lutherischen Theologie protestieren oder in Baden die Gemeinschaftskreise ganz klare Parole ausgeben, zu welchen Geistlichen sie noch gehen könnten, zu welchen nimmer, wenn das Aus- und Umpfarrungssystem im Elsaß, in Hamburg die Kapellengemeinde Fortschritte macht oder in Berlin der Schutz für die Minoritäten aufgerufen und erbeten wird, – den diese, falls sie vom Bekenntnis dissentieren, in den Rheinlanden selbst sich zubilligen, wobei ein fremder Oberhofprediger ihnen geistliche Speise bietet! –, wenn der kurz zu berührenden Generalsynode des diesseitigen Bayern (16.–30. September) vielseitiges Interesse von auswärts begegnet, so ist das Zeugnis genug dafür, daß die Kämpfe des Luthertums um seinen Bestand wohl gewürdigt und verstanden werden. Noch einmal sei gefragt, ob das Landeskirchentum Raum genug für diese Kampfzeiten und Werdeprozesse einer um das Alte im Neuen ringenden Kirchenzeit bieten kann, ja bieten darf. Aber die Flucht in die Freikirche, als ob diese eben in ihrer Verfaßtheit und durch sie Schutz vor der Irrlehre böte, ist ohne göttliches Geheiß nicht anzuraten, hat auch noch keine Verheißung. So sehr wir der Freikirche Licht und Luft und freudiges, friedsames Wachstum gönnen und bedauern müssen, daß die hessische Renitenz kaum Zukunft, die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen wenig Zuwachs hat, wissen wir doch, daß auch sie von Lehrstreitigkeiten, freilich peripherischen, die aber schließlich doch auf zentrale Punkte kamen, nicht verschont blieb, und fürchten auch, sie werde, eben weil sie mit reinlichem Ernste lutherische Lehre behaupten will, in deren Bestreitung nicht nur von außen her, sondern auch von innen heraus einbezogen werden, wie die lutherische Kirche Amerikas beweist.

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 Die Form, in die Gottes Geheimnis mit seiner Kirche für diese Weltzeit gefaßt werden will und kann, muß der schaffen, der das Geheimnis selbst geschenkt hat. Er wird den Geist selbst die Form bilden heißen und wir. werden darüber stille bleiben dürfen. Daß wir nur die Betätigungen äußerer und innerer Mission nicht in die bestehenden kirchlichen Ordnungen einzwängen und sie vernötigen, an den Kämpfen teilzunehmen, da sie doch, mit Joh. Falk zu reden, Charpie für eiternde Wunden bereiten sollen, sie beide, denn auch die äußere Mission soll heilkräftig für die Kirche wirken,

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/20&oldid=- (Version vom 10.9.2016)