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administrative, schließlich solche, die seine Überflüssigkeit genügend kundtun, bis es, von dem Gemeindewillen verjüngt und neugewählt, eine fröhliche Auferstehung feiern kann. Die Solidarität, welche unsere Lehrerwelt auszeichnet, der Zusammenschluß des autonomen Bürgertums mit politischem Einschlag, der Dank für Gebotenes und die Hoffnung auf weitere Fortschritte sichern, wahrlich mehr als seinerzeit denen um Ghillany und Platner (1849), dem Laienbunde die Beherrschung des protestantischen Nürnbergs. Und damit weiter Kreise. Denn wenn es auch nicht heißen soll, daß, wenn Nürnberg denkt, die Welt denke, so wird doch weithin der fröhliche Fortschritt der Freiheit, unter der die meisten recht wenig Abhängigkeit verstehen, begrüßt werden. Die bekannten Predigtbücher, die, um ein Wort des alten D. Boeckh anzuwenden, bei gutem Wetter diensam sind, haben weit mehr Herzen gewonnen als man weiß, bis weit in die bekenntnistreuen Häuser hinein, werden vorgelesen, wo man gesunde und gute Predigten begehrt, in Instituten, die ihre kirchliche Korrektheit betonen, gebraucht und erwecken in urteilsfähigen Kreisen, z. B. Norddeutschlands den oft ausgesprochenen Gedanken, es sei in Bayern eben doch nur Theologengezänke mit der den Orthodoxen so gern eigenen rabies und die Verfasser der Predigtbücher könnten und sollten bedeutendere Kanzeln zieren als ihre heimischen. – Daß der Fortschritt des Katholizismus und seine Klostergründung in Nürnberg Besorgnisse zu erwecken geeignet ist, sei nur nebenhin erwähnt; denn das ritzt die Haut, das andere geht ans Herz. – Es ist die Ehre des gesunden Luthertums, in der Minorität zu sein und in ihr doch sich als die siegreiche Kraft zu erkennen und zu erfassen. Und es ist seine Kraft, „durch die Sorgen ins Gebet sich treiben zu lassen und die Sorgen durch Gebet zu vertreiben“. Dieses „sich zu Tode hoffen“, das Melanchthon so gern sich und anderen empfahl, wird der umdrohten und befehdeten Kirche niemand wehren können und ihr Gott segnen.

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 Irren wir, wenn wir glauben, daß aus manchen Ländern, auch solchen, die an sich nicht lutherisch sind, der Kampf des Luthertums mit betender Teilnahme verfolgt wird, weil es eine eigene Sache gilt? Wenn in Schweden die Waldströmianer – etwa unseren Gemeinschaftskreisen gleich, doch mit geringerer Teilnahme an der Kirche – gegen die Aufnahme von Religionsgeschichtlern

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/19&oldid=- (Version vom 10.9.2016)