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Umfrage und die helfende Hand darzubieten. die Not ist nicht die Mutter der Tatenlosigkeit, sondern der Tatkraft. Sie wagt es auf göttliches Geheiß mit dem Wagemut, der Sorgenberge ins Meer der Gottesliebe versenkt, Häuser zu öffnen, zu denen die Not die Steine gebrochen und das Erbarmen zusammengefügt hat. Sie weiß sich ohne Mittel, ohne Freunde, sie trägt Bedenken zu bitten, aber nicht zu beten, weil sie an dessen Nähe glaubt, der nicht über elendes Geld den Glauben darniederliegen läßt. Ihn zu bestimmen ist ihr Kindesrecht, ihn zu zwingen die männliche Kraft ihrer Gebete. Mein Vater, Dir ist alles möglich, gib, was Du befiehlst und befiehl dann, was Du willst. Noch sind weite Ödungen in unserem Bayernlande, noch auch Schlösser genug, die niemand mehr will, zu besiedeln. Das sind Hoffnungen für viele. Es ist etwas Großes, zu berechnen, aber größer ist es, auch Gott wagen zu lassen.

 Zu den arbeitslosen und arbeitsbeschränkten Männern tritt die Menge der verwitweten und vereinsamten Frauen. Sie vor der Not, die leicht zur Sünde führt, zu bewahren, aus dem Fluch der Vereinsamung zu retten, mit der Spott und Schande ihr loses Spiel treiben, das wäre ein Ehrenpreis unserer evangelischen Frauenbündnisse, für diese Not den Mund aufzutun, wäre ihr vornehmstes Stimmrecht. Die innere Mission hat ja bei und mit jenen Frauen angehoben, die ihrem sie vom Makel der Lebensform lösenden und von der Unfreiheit erlösenden Meister aus ihrer Habe Handreichung taten, ist aus Tabeagestalten und den Reihen derer um Phöbe herangewachsen. Die Geschichte des Christentums ist die Geschichte der Liebe, und diese eine Geschichte der Frau, die Marthas Liebeseifer und Marias Heiligungsernst verband. Es ist das Recht der Frau, ihrer Geschlechtsgenossin nahe zu treten und nachzugehen. Und mit seinem Wortspiel hat das Mittelalter Frau und Freude zusammengestellt! Wie viel Barmherzigkeit bedarf ein durch das Weh des Witwenleides verdüstertes Herz, wie viel Sonne eine Witwenkammer, an deren Türe drohend der Mangel und schmeichelnd die Versuchung klopft. Frauenberufe gilt es nicht zu entdecken, sondern zu erschließen. Es sind freilich im Industrialismus unserer Tage manche geschäftige Hände zur Ruhe gestellt. Aber noch hat ehrliche Arbeit Gelegenheit und Lohn, die etwa in neuen Bahnen das alte Werk tut. Vielleicht öffnen andere Landstriche sich dem redlichen Fleiß, und die Liebe geleitet beratend, tröstend und ermutigend auch in die Fremde, macht auch die Ferne heimatlich und warm.

 Die Kinderpflege, die Fürsorge für die vaterlose Jugend, die entweder ihren Schutz draußen auf dem Schlachtfelde verloren oder daheim nimmer recht gefunden hat, ist fast über Nacht zum schwierigsten Problem geworden,