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Sie merken, sein HErr giebt ihn auf. Wir wissen nicht, was im tiefsten Schacht seines Herzens sein HErr an ihm thut. Wir haben nichts anderes zu thun an allen Kranken- und Sterbebetten, als zu hoffen, Ihm zuzutrauen, der von der Gerechtigkeit Seines Vaters alles Mögliche erwartet. Wollen wir kurzsichtige Menschen weitsichtiger sein als Er? Wollen wir Seines Reichtums Fülle verkürzen? Wollen wir Ohnmächtige, die allein durch Seine Macht Existenzberechtigung genommen haben, andern die Existenzberechtigung absprechen? Ich weiß nicht, ob das ein Liebesgedanke GOttes ist, den Er uns als Prüfung verordnet hat, daß Er diejenigen, die uns durch Familienbande zunächst stehen, oft weit ab von Sich sein läßt. Vielleicht geschieht das um des Wortes willen: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn Mich, der ist Mein nicht wert.“ Vielleicht will Er, daß, ehe unsere Liebe erstarkt ist, Ihm gegenüber, alle irdische Liebe in den Hintergrund treten soll. Wenn Er aber des gewahr wird, daß unsere Liebe zu Ihm klarer, fester, mehr mit unserem Sein verbunden ist, dann wird Er uns auch das schenken, daß wir alle die Unseren losbitten und einst sagen können: „Siehe, hier bin ich und alle, die Du mir gegeben hast.“ Woher kommts, daß auch manchmal Freundschaft bestehen kann zwischen solchen, die dem HErrn nahe stehen und solchen, die Ihm nicht nahe sind? Es sieht vermessen aus, und ist doch wahr: Wir dürfen Sein hohepriesterliches Gebet stützen. Wir sollen fürbittend uns Ihm beigesellen. Laßt uns aufsehen auf den Anfänger des betenden Glaubens, laßt uns mit Freudigkeit hinantreten zu dem Gnadenstuhl und denken an Den, der vor uns und für uns gebetet hat, damit wir mit Ihm beten dürfen. – „Ich habe ihnen Deinen Namen kund gethan. Ich will ihnen kund thun,“ Ich will ihnen Meinen Namen vertraut machen, noch weit vertrauter als es bislang der Fall gewesen. Er will auch Ihnen Seinen Namen so vertraut machen, daß Sie sagen können: „Wenn gar kein Ein’ger mehr auf Erden, dessen Treue du darfst trauen, alsdann will Er Dein Treuster werden, und zu deinem Besten schau’n.“ Er will Ihnen Seinen Namen jeden Tag so klar und vertraut machen, daß Sie in allen