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Ich würde es weit ruhiger ansehen, wenn eine Diakonisse in ein weltliches Konzert ginge. Ich würde nicht gerade sehr erbaut davon sein, aber ein gutes Volkslied ist mir weit lieber als ein Choral von ungeweihten Lippen. – Einladungen? Sie wissen, was aus diesen Einladungen meistens erwächst: Entfremdung dem Mutterhause, falsche Stellung zu den Lokal-Vorständen, innere Unklarheit. Ich wüßte auch in der That nicht, was Schwestern von solchen Einladungen hätten. Wird GOttes Wort getrieben, dann ja; wird aber ein höherer Klatsch getrieben, für den GOttes Wort nur als Vorwand dienen soll, dann meiden Sie solches. Ich bin zu sehr Mensch, um nicht zu begreifen, daß dergleichen Artigkeiten den Schwestern wohl thut, aber ich möchte dennoch raten: Setzen Sie sich dieser Gefahr nicht aus. Sobald diese Einladungen zu einem Vorwande der Übertretung des 8. Gebotes werden, so müssen Sie nicht allein als Diakonissen, sondern als Christinnen dagegen sein.

 Daß wir keiner klösterlichen Askese das Wort reden, versteht sich von selbst. GOtt allein weiß es, wieviel edle Naturanlagen in Klöstern durch verkehrte Askese ganz schändlich zu Grunde gerichtet und nutzlos vergraben sind. Alles sei unser! Was für Gaben auch Ihnen der HErr geschenkt hat, es ist der HErr: Musik, Kunst etc. – Brauchen Sie dieselben, aber mit dem Vorbehalt: „Allein GOtt in der Höh sei Ehr.“ Man hat bei der klösterlichen Askese vergessen, daß Er der GOtt aller Gabe, der Vater aller Lichter ist. Das ist das Korrektiv einer wahnwitzigen Askese: Gesunde Askese und NB. das Herz darf Ihnen nicht schwer dabei werden; denn wenn Ihnen das Herz schwer dabei wird und Sie glauben, irgendwelche Vorzüge daraus ableiten zu können, dann gehen Sie lieber hin, wo Sie wollen. Keine kranke, sondern gesunde Askese sollen Sie pflegen, ohne geistlichen Hochmut, ohne Parallelen zu ziehen, bei denen Sie sich Ihrer Vorzüge bewußt werden.

 Sie kommen an andere Orte, wo auch katholische Schwestern stationiert sind. Man ist noch in dem süßen Wahn, als ob wir viel gemeinsame Punkte mit der katholischen Kirche hätten, und man pflegt diesen Wahn. –