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Fasten in verschiedener Weise. Lassen Sie uns mit dem Somatischen beginnen, – ich will deutsch reden: Es giebt Leute, die bestimmte Lieblingsgerichte haben, bei deren Genuß sie nicht das Maß halten können, das sie halten sollten. Dergleichen wünscht der Heilige Geist nicht. Wer da weiß, daß sein Leib ein Tempel des Heil. Geistes ist, der sollte gerade das, was ihm am meisten mundet, sich abziehen. Wird die Askese nicht geübt, so wird der Leib, der beherrscht werden soll, das Beherrschende. Der Mensch verliert sich an den gewöhnlichsten, ganz gemeinen Genuß.

 Musik ist und bleibt eine Himmelsgabe, aber sie kann auch eine Gabe werden, die zur Hölle führt, wenn sie in Tönen schwelgt, wenn sie von der Pflicht abzieht. Wenn Sie die herrlichste Fuge eines Bach genießen, und Ihre Pflicht leidet darunter, so ist dieser Genuß Sünde für Sie. Und wenn Sie beten, und über diesem Gebet Ihre Pflicht vernachlässigen, so ist Ihnen dies Gebet ein Fluch. Wenn Sie sich in betende Kontemplationen versenken und dabei Ihrer Kinder nicht warten, Ihrer Kranken nicht pflegen, so ist dieses Gebet eine Arroganz. Man dünkt sich zu gut für solch ärmliche Geschäfte. Denken Sie an das Wort Löhes: „Die Füße im Staube der Erde, das Haupt im Sonnenlichte der Anbetung.“

 Andere Fragen sind z. B. diese: Dürfen wir Einladungen annehmen, Kirchenkonzerte besuchen? Geringe Fragen unsern hohen Aufgaben gegenüber! Sind Sie gereifte Christen, so gehen Sie nicht hin, und sind Sie ungereifte Christen, dann haben Sie nicht hinzugehen. Sind Sie gereift, so wird es Sie anwidern, die heiligen Geheimnisse „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt ff.“ von einer beliebigen Bühnengröße gesungen zu hören. Es wird Sie anwidern, daß diese Chöre von Leuten gesungen werden, die nur bei dieser Gelegenheit in der Kirche erscheinen. „Du Gottesmensch, fleuch solches.“ Und sind Sie nicht gereift, dann haben Sie erst recht nicht hinzugehen, weil Sie nicht klar genug sehen, was Kunstgenuß und was Anbetung ist. ER aber in Seinem schwersten Leiden und Wirken auf Erden will nicht das Objekt des Kunstgenusses werden, ER will Anbetung.