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Wesen überhaupt so eignet, die Selbständigkeit auf Kosten der andern, die Bebauung des Eigenen, während das andere darunter leidet, die Isolierung von dem Gemeinwohl und Gemeingut, wobei ich freilich nicht in Abrede stelle, daß die Lehrdiakonie diese Gefahr des weiblichen Naturells am allermeisten heraufzurufen, heraufzubeschwören geeignet ist, weil sie es dann unter der Devise der Pflicht tut. Wehe aber dem Menschen, der einen Pflichtbegriff herausholt, um hinter ihm den Mangel an Liebe zu decken, wehe dem Menschen, der irgend ein Gottesgebot herausnimmt, um das königliche Gesetz der Liebe zu zertreten.

 Es sind Gefahren von der Lehrdiakonie. Ich möchte nie ein Diakonissenhaus, das bloß Lehrdiakonie treibt, sehen, auch keines, das bloß Missionslehrerinnen ausbildet, das sind Phantome. Das, was der Lehrdiakonie das heilsame Korrektiv gibt, ist, daß man offene Augen hat für die großen ernsten Pflichten der anderen Berufe seiner Mitschwestern und in diese andern Berufe sich nicht nur hineindenkt, sondern auch hineinstellen läßt. Es ist doch schon wiederholt geschehen, daß wir Lehrerinnen in einen rein praktischen Beruf stellten und wir sind nicht übel damit gefahren. Wenn ein Mensch erst einmal dahin kommt, daß er sich in andere Berufe hineindenken muß (Paul Goehre, 3 Monate Fabrikarbeiter), daß man sich künstlich hineinempfinden muß, dann ist bereits ein schwerer Schaden in Wirksamkeit. Nein, es muß die Generalidee des Dienens und der Gemeinsamkeit des Dienens so vorschlagen und so triebkräftig sein, daß diese Gefahr am allerersten beseitigt wird. Es sind dann ohnehin Aufgaben genug, welche der Lehrdiakonie als Kreuz auferlegt sind.

 Wem aber die Lehrdiakonie Selbstzweck wäre, der soll sich nicht wundern, wenn sie ihm das Dach über dem Hause abträgt. Aber es soll ja die Lehrdiakonie kein Selbstzweck sein, sondern soll hineinführen in den großen Reichszweck der mittelbaren Seelsorge an anderen. Und da darf ich noch einzelne arme, geringe, aber nicht ganz unerfahrene Winke geben.

 Der Gesamtunterricht gehe von der biblischen Wirklichkeit aus. Das Kind lebe in der Schrift. Man läßt sich nicht, am allerwenigsten hier, von der öden Frage der Ueberbürdung quälen. Unsere Kinder werden jetzt allmählich zu geistigen Wasserköpfen herangebildet, müssen in ihr armes Hirn eine Masse unverdauten, unwerten, unklaren Gerümpels hereinnehmen. Wir sind in der besten Fahrt, unsere Kinder zu verelenden und sie zu der Blasiertheit heranzuziehen, die sich nur darüber wundert, wie man sich über etwas wundern kann, während die alte Lehre darauf hinging: „Den Kindern das