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 Aber mit diesem einen Begriff – Sabbat – Ruhetag – ist das Wort Sabbat noch nicht erschöpft. Die andere Bedeutung heißt: Tag der Wiederkehr, der Heimkehr, der Einkehr. Wenn der Mensch genug gearbeitet hat und die Arbeit der Erde ihm schwer auf die Seele fällt, weil auch in die ernsteste Arbeit die Sünde sich einstellt und in den edelsten Tag die Schatten des Todes fallen, so s[e]hnt er sich hinaus über die Mühen der Erde, daß er wiederkehre, einkehre, heimkehre zu dem, der aller Ruhe Inbegriff und alles Friedens Quelle, Herr und Hort ist. – Und wie das Wort Sabbat einen heiligen und heiligenden Rückblick auf die Ruhe Gottes in sich schließt, so bringt es auch eine Weissagung und Vordeutung auf die Ruhe in Gott. Gott ruhte und wir ruhen in Gott. Also bedeutet das Wort Sabbat: so wie Gott im Menschen ruhte, so soll einmal der Mensch ganz in Gott ruhen; so wie Gott im Menschen feiernd sich beschaute, soll der Mensch über ein kleines feiernd in Gott sich wieder finden. Zugleich liegt in diesem Worte der Gottesruhe und der Ruhe in Gott die Warnung vor falscher Tatenlosigkeit, als ob Gott ohne Werk, ohne Arbeit fortan die Welt betrachte, in seliger Beschaulichkeit von dem Weltwesen und Weltlauf sich ferne hielte, ein Meister, der das Getriebe eines Uhrwerkes geschaffen, aber den Gang des Uhrwerkes aus den Augen verloren hat. Geliebte! In der Stunde, in der Gott beschaulich, ohne Wirksamkeit der Welt gegenüber sich verhielte, würde die Welt in sich selber zerstäuben, das Gebet würde verstummen, das Atmen der Seele würde unterbleiben und die ganze Menschheit würde vor Durst verschmachten und ihr Leben vertrocknen wie ein Scherbe. Gerade diejenigen – und es finden sich jetzt viele solche – die behaupten, daß Gott ruhe und um die Welt sich nicht mehr kümmere und dieselbe nach bestimmten Gesetzen ablaufen lasse, um sie dann zu vernichten, wissen nicht, daß sie uns eigentlich den letzten Trost nehmen.