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aber daß dein Tagelöhner nicht von dir verworfen werde, daß ich nicht ein Tagelöhner des Feindes sein müsse, der meiner Seele unablässig nachstellt! – Seht, das heißt man in allen Nöten anrufen, vor der Gnadentüre nicht mehr zaghaft pochen wie einer, dem gar nichts daran liegt, ob geöffnet wird oder nicht, sondern hinstürmen mit seiner Not: hier liege ich vor der Türe deines Hauses, schreite über mich hinweg, aber verwirf mich nicht! Der Du dem sinkenden Petrus die Hand darreichtest, daß er nicht versank, und dem verleugnenden Petrus das Auge zuwandtest, daß er nicht verzweifelte, der Du aus Tränen und Reue Deiner Knechte Dir den liebsten Dienst bereitest, verwirf uns nicht und vergiß unser nicht! Aus der schwersten Not, daß dieses Leben mit einem furchtbaren Mißklang wie zerrissene Saiten abtönen möge, aus der schwersten Not, daß meine letzte Stunde jäh in der Hölle erwache, rufe ich Herr zu Dir! Das heißt man in den Nöten der Ungewißheit und der Gewißheit und der Alltäglichkeit zu ihm rufen. Wie dort das arme Weib den Richter übertäubte, daß er schließlich nachgab und ihr Huld erzeigte, so laßt uns unserem Gott Jesu Christi Bild vorhalten, daß Er uns gnädig werde, und ihn auf das Leiden seines Sohnes hinweisen mit der Berufung: dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben; „das Blut Jesu Christi Deines Sohnes macht mich rein von aller meiner Sünde“, und um seinetwillen sei mir gnädig! Dieses Anrufen ist, ich möchte sagen, die Stimme der Seele und das Beten ist die Stimmung der Seele. Denn darauf kommt es an, daß im neuen Jahre unsere Seele immer zum Gebet gestimmt sei. Was erbitte ich euch Besseres und mir Größeres als diese adelige Gesinnung der Seele, das Heimweh, das Verlangen nach dem Herrn, diese Feierabendstimmung mitten im Drang der Arbeit, diese Stille im Herrn mitten im Brausen der Welt, daß unser ganzes Wesen in ihm begründet und versenkt sei!