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sich öffnen hieß, damit du ihr Welken bemerken könntest, und der nur dazu die Freude wie einen flüchtigen Schatten auf deinen Lebenspfad sandte, damit du ihr Verschwinden sehen könntest. Und so hast du deinen Gott verwünscht, der sich mit seinen Geboten in deine Freuden und mit der starren Härte in dein Leben und mit seinen schweren Worten in dein Glück eindrängte: du hast bei seinem Namen ihm geflucht; dem Nächsten und dem treuen Gott selbst.

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 Weil aber der Mensch im tiefsten Grunde – wer sich selbst kennt, wird mir recht geben – niemand mehr mißtraut als sich selbst, so erhebt sich das Schwören. Wie wenige unter uns können etwas, irgend etwas ohne eine Beteuerung behaupten! Der Heiland sagt: Christenrede sei ein Ja und das ist Ja und sei ein Nein und das ist Nein, und was über diese beiden schmalen Grenzen von Ja und Nein hinüberströmt, das kommt vom Feind. Der Feind ist es, der die vielen Worte macht; der Feind ist es, der das Ja und Nein des Christen entwertet, der unsern gegenseitigen Verkehr erschwert, so daß wir schließlich, um glauben zu finden, hohe Verheißungen und ernste Beteuerungen einflechten müssen. Du erzählst eine ganz schlichte Sache; ein Blick deines Nebenmenschen, ein Lächeln, irgend ein Zug in seinem Gesicht läßt dich erraten, er traut dir nicht, und du selber traust dir am wenigsten, weil du weißt, wie selten du die Wahrheit ganz sagst und nun beginnen die Beteuerungen: bei den Kindern, wenn wir ihnen so zuhören, mit Ehre und Seligkeit, mit einem Gute, das sie noch nicht kennen und mit einem Gute, das sie noch nicht haben. Wir hören, wie wegen geringfügiger Dinge teuerste Kleinodien verpfändet werden. Und wir Erwachsene? Ja gewiß, ja fürwahr, ich versichere dich, daß es so war, du darfst es mir glauben und nun werden Beteuerungen angefügt. Und wie steht es denn mit dem losen und leichtfertigen Schwören bei den geringsten Unannehmlichkeiten?