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höhnend betrachte, und wenn der Tanz zum Letzten aufspielt, dann kehrt er Kronen und Ehren, Freuden und Masken und Rollen all in ein großes Grab. „Sie wollen sich von meinem Geiste nicht mehr strafen lassen.“ Und wie Moses sprach, angesichts der offenen Lustgräber in der Wüste, als die Schlangen ihr verheerendes Werk vollbracht und böse Seuchen durch die Gemeinden hin und her gewütet hatten: Wer glaubt es, daß Du so sehr zürnest? Und wer fürchtet sich vor solchem Deinem Grimm?

 Seht, diese schreckhafte Sicherheit, die genau weiß, daß mit diesem Tode alles zu Ende ist, hat keine verneuende Kraft mehr. Unser Volk hat den Gott seiner Väter zu fürchten vergessen.

 Und dann gibt es etliche, die Gott fürchten, weil Er so furchtbar straft. Sie stehen an den Krankenbetten und nehmen wahr, wie Gott durch heimliche Leiden ein Menschenbild zerstört. Sie sehen, wie Er den Verstand auslöscht, wie eine umgedrehte Fackel, und der Mensch dämmert seelenlos dahin Jahr um Jahr, Jahrzehnt auf Jahrzehnt – und sie fürchten sich vor Ihm. Dann sehen sie, wie Gott hohe Namen stürzt – heute glänzen sie und morgen sind sie, wie in Meerestiefen versenkt, ausgelöscht und vergessen – und sie fürchten sich vor ihm.

 Wenn aber der Finger Gottes sich wieder zurückzieht, wenn sie, wie die Hl. Schrift sagt, wieder Luft gekriegt haben, dann ist auch diese Furcht wieder dahin. – Wir aber, die wir freilich nicht bloß Knechte sein wollen, bitten mit der ganzen hl. Gemeinde: lehr mich Dich fürchten, daß ich nicht vergehe! Die Angst, daß auf ein mühereiches Leben ein ewiges Verderben folgen möchte, die Schreckensnot, daß eine lange, eine unaussagbar lange Nacht diesem kurzen Tag, genannt Leben, sich anschließen möchte, die Sorge, daß alles, alles in Nichts vergeht, ohne doch ins Nichts zu versinken, diese Sorge vergällt den Bissen, den