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Zucht und Sitte zu Füßen tritt, wie vor einer Schlange zurück. Gott hat dem Weibe, daß ich so sage, schwächere Zuneigung, mindere Leidenschaft, leichtere Schutzmittel gegönnt; umso schrecklicher, wenn diese Schutzmittel vergessen und diese von Gott geordneten Erleichterungen versäumt und verscherzt werden. Es ist eine große Gefahr, wenn eine Seele, sei es die eines Mannes oder einer Frau, über die Grenzen irrt, die Gott bestimmt hat. Schon wenn eine Ehefrau ihre Unfriedlichkeit und ihr Leid Menschen klagt, ist es, als ob der Gott der Treue von ihr sich wende, und wenn sie vollends durch das Unrecht, das sie leidet, für das Unrecht sich entschuldigt glaubt, das sie tut, wird der Frieden sich von ihr wenden, weil es kein zarteres, reineres und frömmeres Verhältnis gibt, als das Verhältnis zweier Ehegatten zu einander, das mit besonderer Scheu, mit großer Weisheit und Mäßigkeit gepflegt werden muß; denn jede Verletzung in Gedanken, Worten und Werken ist ihm tief schädlich.

 Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Glück, aber auch nicht aus deines Nächsten Unglück für dich ein Glück erhoffen! Wie viele innerlich zerrüttete Ehen glauben dadurch Heilung zu finden, daß beide Eheteile an Fremde sich wenden, von Fremden das erhoffen, was sie aneinander nicht haben! Und wie werden dadurch nicht bloß die Ehen zerrissen und zerklüftet, sondern auch den Kindern das Liebste geraubt, was Eltern ihren Kindern überlassen und vererben können: der ehrliche Name und die Freude an der Heimat!

 Es ist, als ob der treue Gott tief in die Wunden unseres Volkes Einblick tun und uns sagen wollte: aus der bösen Lust, die an den Pforten des Hauses lauert und in die Heimlichkeit der Herzen eindringt, erwächst ein das Haus, die Gemeinde, die Kirche, das Volk verheerendes Unheil, eine kleine Sache, die doch Großes erweckt und erregt.