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Grundsätze, sondern Bequemlichkeit und Eigenliebe. Der Deutsche, ja ich sage, der evangelische Deutsche, hat eine Menge von Prinzipien, wenn er nicht geben will. Es ist eigenartig, wie der natürliche Mensch die Zahl seiner Grundsätze erweitert, wenn er sich seiner Pflicht entziehen will. Das dritte Wort bei den meisten ist „Prinzip“ obwohl der Menschheit größtes Prinzip, Prinzipienlosigkeit ist; fragst du einen nach seinem Prinzip, kann er dir nichts nennen. O gib, damit du von der Liebe zum äußeren Besitz frei wirst! Die Freude am äußeren Besitz ist kein Unrecht; wenn Gott uns der Sorge ledig macht und zu bescheidenem Wohlstand uns hilft, ist es eine Freundlichkeit, deren wir uns von Herzen freuen dürfen. Aber von der Freude am Besitz, der Lust am Besitz, zur bösen Lust zum Besitz, ist nur ein Schritt. Damit du also frei wirst, gib und gib jedem. Und wenn ich getäuscht werde? Ja wie oft täuschest du deinen Herrn und Gott! Wie oft täuschest du deinen Nächsten! Heute morgen hieß es: ich will dich von ganzem Herzen lieben – und nun? – Je mehr Versprüche du machst, desto weniger hältst du. Wie es eine Unart ist, jemand hundertmal zu grüßen, so ist es eine abgeschmackte Unart, dem lieben Gott tausendmal zu sagen, wie man ihm danke, wie man ihn liebe, wie man ihm dienen wolle usw.; denn nach zehn Minuten ist alles vorüber. Du enttäuschest ihn so oft und immer wieder erfüllt Er dein Herz mit Freude. Du bist jetzt zu hohen Jahren gekommen; wenn du die Echtheit deiner Gelübde, die Ernstlichkeit deiner Gebete, die Wahrheit deiner Versprüche auf Eines tun würdest, o, wie erbärmlich wäre der Ertrag deines Lebens. Und wenn du die Gnadenerweisungen deines Gottes und die Erfahrungen seiner uns beschämenden Treue auf die andere Seite stelltest, welche Berge der Güte, welcher Reichtum der Treue zeigte sich da! So oft hast du ihn getäuscht und dies alles hat Er dir erlassen, dieweil du ihn batest. So oft