Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/22

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

verneute und stärkte, wendet Er sich an dich und mich und spricht: Ich bin!

 Wenn das Kind nächtens durch den Wald eilt – es hat seinen Vater verloren und weiß nur noch das Eine, dieser Wald trennt mich von ihm und einigt mich mit ihm – dann hört es in weiter Ferne, aber es hört doch, die trauteste Stimme: Ich bin es!

 So spricht Er zur armen, weltverirrten, weltverlorenen, weltvergessenen Seele, zur Seele, die nur noch ein Verlangen hat: sich auszuweinen und dann scheiden zu gehen: „Sei getrost. Ich bin es!“ Nun dürfen alle Wellen forttragen, was nimmer gehalten werden kann und alle Wogen fortführen, was ich mir halten wollte an Lieb und Treu, an Erinnerung und Güte und Gnade; nun kann alles fallen und ich so arm werden als hätte ich nie etwas gewußt, noch besessen, ja ärmer – denn der ist wohl ärmer, der einst etwas hatte und nun alles enträt –, wenn ich nur Dich weiß, dann weiß ich mir genug; und wenn nur Du bist, dann ist es mir reichlich genug.

 Ich bin es! Wenn dieses Wort nicht mehr wäre, was wäre dann dies Leben? Ausstaffierter Flitter, dem man lächelnde Lüge in jedem Zuge ansieht; ernste Miene, hinter der die Torheit wohnt, heiße Mühe, über die Narren lächeln; das ganze Leben ein großes Gaukelspiel; Tropfen des Weltmeeres, die eine kleine Zeit in willkürlicher Eile aneinander sich reihen und eine Welle läßt sie zerstieben. Tropfen des Weltmeeres, in die flüchtig ein höhnender Sonnenblick fällt; das nennt man Glück und – es ist vorüber. Aber Ehre sei dem, der in all dieses unnennbare Weh des Menschenlebens das beste, das gnadenreichste Wort hineingerufen hat: Ich bin es!

 Wenn ich am Sarge stand, wo man das Beste von mir nahm und ich wußte nicht, warum gerade jetzt und gerade so dieser schwere, schwarze Strich durch mein Leben und