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und ihre Pflicht von ihnen verlangt. Es gibt eigentlich keine größere Anklage gegen Gott als die: ich habe keine Zeit. Also hat Gott dir Pflichten gegeben, ohne die Kraft dir zu lassen, Aufgaben dir gestellt, ohne Mittel, sie zu lösen. Also ist Er ein harter Mann, der fordert, was du nimmer leisten kannst. Ach, du hast Zeit genug, aber du weißt sie nicht zu benützen, weil du keine Ewigkeit hast. Dir ist deswegen die Rede so willkommen: ich habe keine Zeit! weil du nichts mehr auf die Ewigkeit aufheben und bewahren willst. Wenn du von Gott recht regiert bist, dann wird jede Stunde dich da finden, wohin sie dich ruft. Zeitfrei werden ist das Höchste, was ein Mensch eigentlich jeden Tag und für ihn sich erbitten möge: laß mich nicht von der Stunde abhängig sein, sondern die Stunde von mir abhängig werden. Denn wenn ich von der Stunde abhängig bin, werde ich einmal meiner Sterbestunde auch nicht Herr werden, sondern sie wird mich überwältigen und wo bleibe ich dann? Wenn ich nicht der Zeit Herr werde, so wird sie mich wegtragen, wie die Welle ein schwankes Schiff fortführt, und ich habe keine Heimat und keine Hilfe. Das aber muß man bald lernen; später wird es leicht zu spät. Ich weiß nicht, mit wem ich mehr Mitleid haben sollte, als mit den Menschen, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen. Es sind die allerärmsten, wirklich bedauernswerten Menschen, denen die Stunde nicht weichen will, weil sie ihnen nicht gehorcht. Ach, der Jammer, wenn jemand früh vom Lager sich erhebt und sich sagen muß: es wäre ebenso gut, ich bliebe in der Ruhe! Ach, das Leid, wenn jemand morgens durch die Straßen geht und sich zuruft: ich könnte ebensogut auch zu Hause bleiben! Dieses Weh am Abend: ich habe weder Pflichten gefunden, noch gefundene gelöst. Darum: du sollst nicht stehlen! Dein Gott hat dir dein äußeres Gut der Zeit vertraut. Merkst du nicht, wie sie kürzer wird? Vor zwanzig