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als etwas besonders Heiliges, Großes und Gottgefälliges gepriesen. Aber die heilige Schrift, nach der wir unser Leben richten sollen, nicht buchstäbelnd, sondern nach ihrem Sinn und Geist, nach der Kraft, die von ihr auf uns wirkt, und das Bekenntnis unserer Kirche mit diesem weiten Herzen und engen Gewissen, spricht ganz anders vom irdischen Gut. Ein großer Vater unserer Kirche schreibt einmal sehr fein: Paulus sieht das Ende seines Lebens vor sich: Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet. Nun sollte man meinen, im Gefängnis, den Tod vor Augen, die ewige Heimat im Herzen, hätte er keine Zeit und keine Lust mehr an irdische Dinge zu denken. Und er schreibt an Timotheus: Siehe, daß du aufs schierste, aufs schnellste, zu mir kommst! Nahe dem Ende sehnt er sich nach dem Freund und Schüler. Und er schreibt weiter: den Mantel, den ich vergessen habe, den bringe mit. Nahe vor seinem Ende verlangt ihn noch nach dem Kleidungsstück, das er einst getragen, damit er sich im Gefängnis wärmen könne. Auch das Pergament von Troas, das bringe auch mit. Er will also noch lesen und schreiben, ehe der Tod ihn von hinnen fordert. Seht, so schrieb dieser alte Vater, das ist evangelische Nüchternheit: den Tod vor Augen mit der Freude am Leben. Und so steht ein evangelischer Christ auch dem irdischen Gute gegenüber. Ich weiß, daß ich alles hergeben muß, und freue mich doch seiner. Es ist mir klar, daß ich es bald aufgeben darf und ich will es doch sammeln. Ich weiß, daß Motten und Rost es fressen und Diebe nachgraben und es nehmen können, und doch habe ich die Pflicht und das Recht auf irdisches Gut zu sehen. Zunächst auf das meine!

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 Eine Frage: mein Christ, denkst du an das irdische Gut, das uns allen zuteil wird und darum am wenigsten geachtet wird; denkst du an das irdische Gut der Zeit? Jeden Tag gibt dir dein Gott 24 Stunden. Was tust du