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nach oben und nach unten, zur Seite ganz frei ist, dann ist die Ehelosigkeit zwar keine Labung, aber eine Pflicht; und der die Pflicht gibt, gibt auch die Kraft zu ihrer Erfüllung. Wenn das Gebetsleben krankt, der Gebetsatem schwer ausgeht, der ganze Mensch merkt, wie leicht er sich an geliebte Menschen vergeben und vergessen kann, dann soll er wohl fragen, ob es für ihn ratsam, gut und dienlich sei, in die Ehe zu treten. So wenig wir der gezwungenen Ehelosigkeit das Wort reden, weil sie eine furchtbare Gewissenstyrannei ist, die die Menschen entweder zu gebrochenen Existenzen oder zu heimlich lasterhaften werden läßt, so wenig reden wir der erzwungenen Ehe das Wort. Ich habe noch nie gesehen, daß eine aufgenötete und abgenötete Ehe wirkliches Glück in sich barg. Soviel hievon.

 Wenn aber Gott der Herr den Menschen einfach so führt und erzieht, daß er es wohl wahrnimmt, es sei ihm die Ehelosigkeit ein allzu schweres Joch und wenn Er ihn bei der Hand nimmt und ihm das Haus eröffnet, darin er wohnen soll, dann möge an der Hand des sechsten Gebotes eine und die andere seelsorgerliche Vermahnung hier statthaben dürfen. Vielleicht trifft sie die und jene Seele, die sie brauchen kann und behalten mag.

 Wenn du, o Jungfrau, nicht den Mut hast, den Mann, den du dir wählen möchtest, oder der dich erküren möge, auf und nach seinem Glauben zu fragen, dann hast du die erste Lüge in dein Verlöbnis und die erste Unwahrheit in deine zukünftige Ehe hineingetragen. Es hat mir viel zu denken gegeben, als vor wenigen Jahren einmal eine Dame, eine kirchlich gesinnte, evangelische Dame, ganz naiv zu mir sagte: „Drei Tage vor ihrer Verheiratung hat meine Tochter zu ihrer großen Freude erfahren, daß ihr Bräutigam evangelisch ist.“ Das sind Verlobungen der Kühnheit und nicht der göttlichen Ordnung; das sind Bündnisse,