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Ich höre dich nun reden: dieser Mensch empfängt jetzt, was seine Taten wert sind; sein körperliches Leiden ist die Folge seiner Ausschweifung. O, wenn Gott jedes Unrecht, das wir begehen, Neid, Haß, Zorn, Eifersucht, Habgier usw. an unserem Leibe heimsuchen wollte, welch ein Bild körperlichen Gebrechens böten wir dann! Wenn alle die in uns lodernden Leidenschaften herausbrechen und sich an unserm Leibesleben bezeigen würden, welch eine Entstellung böte sich dann wohl an uns? Darum kehre dich zu den Kranken, Verachteten, Mühseligen und Beladenen mit deiner Fürbitte, mit deinem guten Worte und mit deiner Tat und hilf ihnen! Ich weiß wohl, es ist bei uns alles geordnet; wir haben die geordnete Armenpflege, die geordnete Krankenpflege und anderes. Aber muß denn der Kranke immer arm sein? Ich denke, das ist die rechte Art und die größte Tat der Krankenpflege, wenn du dich so recht in sein Leiden versetzest. Ich habe oft zu den Kranken gesagt: verzeiht, daß ich gesund bin! Denn der Gesunde, am Bette des Kranken ist für diesen am schwersten zu tragen; er ist wie ein Protest gegen seine Lage, er legt den Zunder des Mißtrauens in seine Seele und nötigt ihn zu dem Vergleich: warum geht es dem so gut und mir so schlecht? Denkt stets daran, daß der Gesunde für den Kranken weit schwerer zu tragen ist, als der Kranke für den Gesunden. Beachtet, daß es die größte Aufgabe und beste Hilfe ist, sich in des Kranken Art und Weise einzudenken, einzulieben, einzubeten, einzuleiden, bis er es merkt: du hast von seiner Krankheit innerlich Kenntnis genommen und bist ihrer innerlich kund geworden. Das ist die rechte Hilfe! Und wenn ich dich hingewiesen habe auf die vielen, die ihre leibliche Gesundheit frevelnd und mutwillig zerstört haben – hilf auch ihnen! Wenn sie wiederkehren aus dem Lande des Feindes, zerrissen, verkommen, unansehnlich und greisenhaft, wenn die einst blühenden Gestalten wieder vor