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Strom durch unsere Großstadt ziehen, die dann nach wenigen Jahren unter einem unbekannten, mit Nesseln und Gras überwucherten Grabe schlafen? Beten heißt helfen. Betet für die Kranken, für die, deren Leibesleben gefährdet ist, für die Elenden und die Gefährdeten!

 Wer denkt an unsere studierende Jugend hier in der Großstadt, an die Gefahren, welche Völlerei, Schlemmerei, Genußsucht und Unkeuschheit ihnen bereiten? Die Mutter läßt ihren Sohn hinausziehen in die Weite und er prangt vor ihr in Jugendkraft und Jugendfrische, und er kehrt zurück greisenhaft, abgelebt und matt; denn ein böser Wurm nagt an seinem Leben, der Wurm des unreinen und unkeuschen Lebens. Wer betet für sie? Und wie, wenn du nun durch die Straßen der Großstadt gehst und siehst solche arme Menschen, die ihren Leib nicht mehr in Zucht und Ehren halten, betest du für sie, seufzest du für sie, flehest du zu dem, der auch ein solch armes Menschenkind zu sich ziehen will aus lauter Güte: o rette auch diesen meinen Bruder, diese meine Schwester?

 Es ist nichts mit unserm Christentum, wenn wir nicht die Hilfe der Fürbitte an die Kranken, Gefallenen und Gefährdeten wenden.

 Und zu dieser stillen Herzenshilfe, die kein Mensch sieht und die doch so vielen zugute kommt, zu dieser stillen Herzenshilfe tritt zweitens das gute, freundliche Wort.

 Die heilige Schrift des Alten Bundes sagt: „Eine gute Rede erfreut das Antlitz.“ Wenn du einen geliebten Menschen hast, wie wird bald dein ganzes Wesen verklärt, wenn er dir ein gutes Wort zuspricht. Du hast vielleicht seit Wochen gewünscht, dieses guten Wortes teilhaftig zu werden und schon darauf verzichtet. Heute ist es dir geworden, dein ganzes Leibesleben ist gehoben, deine Müdigkeit ist wie gebannt, deine Gebundenheit ist weggenommen, ein einziges Wort hat dich erquickt. Denn in einem einzigen