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werden. Schau doch einmal her, o Seele, wie empfindlich du bist! Das kleinste Wort, das du dir anders wünschtest, die schlichteste Rede, die du dir anders erhofftest, gehen dir durch Tage nach. Es schmeckt dir das Essen nicht, es flieht dich der Schlaf, deine Arbeit ist erschwert, dein Tagewerk ist bedrückt: alles um eines Wortes willen, das nicht so an dich kam, wie du es wünschtest.

 Und wieviel solcher Worte gibst du deinem Nächsten als Reisefracht mit auf den Weg! Es hat mir einmal jemand gesagt: ich habe mich gerne geweidet an der Gedrücktheit meines Nächsten. Ein furchtbares Wort – eine Beichtrede, die mir durch die Jahre nachgegangen ist. Ich habe mich geweidet an der Gedrücktheit meines Nächsten! Und du hast ihm sein Leben erschwert, hast ihm die Hoffnung der Liebe zerstört und hast ihm den Tag vor Abend verdüstert.

 Dem Nächsten mit der Tat Schaden tun, das ist verboten. Dem Nächsten mit dem Worte ein Leid tun, das ist uns ernstlich untersagt. Wer der heilige Gott, der in Jesu Christo ein Meer von Liebe erschloß, die da alles glaubt, auch das Unglaubliche, alles trägt, auch das Unerträgliche und alles leidet, auch das Unleidliche, geht in die Tiefe unseres Lebens und wehrt – als Sünde gegen das fünfte Gebot – den bösen, bitteren Gedanken. Wer kann es merken, wie oft er täglich fehlet! Es hat mir einer bitter unrecht getan; nun höre ich, daß es ihm übel geht und durch meine Seele zieht die Freude: endlich hat ihn Gott getroffen! Statt daß ich niedersänke und spräche: wenn du Lust hast mit mir zu hadern, so kann ich dir auf tausend nicht eins antworten. Du erfährst, daß der Mensch, der dir im Wege stand, deinem Glück im Lichte stand, wie du meinst, endlich beseitigt ist. Mit frohem Worte preisest du Gottes Gerechtigkeit. In Wahrheit aber labst du dich an deines Bruders Elend und Leid und hast so das fünfte Gebot übertreten. – Du trägst nach; du kannst wohl vergeben,