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Stellung über sie hinaus gelangt sind, werden sie dann noch ihre Autorität geltend machen können? Ich greife eines heraus: wie haben Eltern schon gefehlt, wenn sie in plumpem Autoritätsrecht ihr Kind zur Eingehung eines ihnen gefälligen Verlöbnisses zwangen. Welche Verantwortung haben sie da auf sich geladen, indem sie oft zu unseligen Ehebündnissen drängten! Und wie manches Kind hat später das Andenken an seine Eltern von einem schweren Schatten umdüstert gesehen, weil sie geboten, wo sie nur hätten raten dürfen und das befohlen, was sie nur hätten anempfehlen sollen und dürfen. Aber wenn das Weh einsetzt, das keinem Kinde erspart bleibt, auf daß man eben lerne: Er allein ist heilig! wenn das Weh eintritt, daß Eltern den Kindern die erste Enttäuschung bereiten, wenn zum Autoritätsgefühl die berechtigte Kritik sich gesellt und die Kinder auf einmal Schatten auf dem lichten Bilde ihrer Eltern erkennen, wenn das Kind mit Tränen in den Augen inne wird: auch die Treuesten haben der Wahrheit nicht ganz gedient! da muß dann die Pietät einsetzen, die Pietät, die durch das ganze spätere Leben fortträgt und fortgeht. Habe ich früher meine Eltern um ihrer Vorzüge willen geliebt und ihnen gehorcht, so liebe ich sie jetzt trotz ihrer Fehler. Und war ich als Kind von der Herrlichkeit meiner Eltern übermocht und überwunden, so will ich jetzt ihr Bild hoch halten und sie ehren, auch wenn manch schwerer Schatten auf ihm ruht. Es ist wohl an dem, daß auf die Periode der unbedingten Autorität den Eltern gegenüber eine schwere, düstere Zeit der Kritik folgt, und daß die heranwachsenden Söhne und heranreifenden Töchter auf einmal gleichsam einen Schleier wegziehen vom Bilde der Eltern und zugleich viel Dunkel erblicken, dann wohl alle Schäden der Eltern hervorkehren, um ihre eigenen Verfehlungen zuzudecken, und so plötzlich mit dem goldenen Traum der Jugend der ganze Goldschmuck elterlicher Größe