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 Man hat in diesen Tagen ein geheimes Grauen vor allem Lehrmäßigen. „Die finstere Kirche mit ihren Lehrsätzen, die harte, geknechtete Theologie mit ihren Dogmen, diese schwerfällige Rüstung, in der David nie den Riesen bestanden hätte,“ so nennt man die Lehre unserer Kirche. Aber laßt euch nicht beirren; wo keine Lehre ist, da ist auch kein Leben; da kann wohl sehr viel Lebensregung, aber sehr wenig Lebensgehalt wird da sein. Ich habe nie gesehen, daß eine Mutter ihre Tochter in häusliche Verrichtungen einweihte, ohne sie eben das Leben zu lehren, ohne den Hausbrauch dem Kinde festzustellen: so hat’s mich meine Mutter gelehrt, so habe ich’s getrieben und so lehre ich’s dich. Die ganze Lehre einer guten Mutter an ihr Kind wird von der Überlieferung des Hauses aus, durch dieselbe hindurch zum persönlichen Erlebnis führen. Die Mutter wird lehren: so habe ich’s von meiner Mutter gelernt; ich hab’s erprobt im eigenen Leben und es hat sich bewährt; so lehre ich’s dich.

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 So ist der Katechismus ein Lehrbuch ohne gleichen, das den ganzen Strom der kirchengeschichtlichen Entwicklung hereinnimmt in seinen stolzen Bau. Wie dich vielleicht einst die Mutter an der Hand nahm und dich zum ersten Male in eine große Kirche führte und dich dann ganz dem Eindruck des Überwältigenden überließ. Die hohen Fenster, in denen die Sonne farbig sich brach, die stolzen, himmelanstrebenden Säulen, die vor deinen erstaunten Augen verschwanden, das geheimnisvolle Dunkel in der Kirche – das alles durfte zusammenhelfen, um dich an der Hand der Mutter in der Kirche heimisch zu machen. Es war dir wohl an ihrer Hand. Allein hättest du dich vor dieser großen Weite gefürchtet und das ehrfürchtige Schweigen im Gotteshause hätte dir den Atem benommen. Aber an der Mutterhand und am Mutterherz gewannst du die Kirche lieb. Und so ist es auch innerlich. Der Katechismus führt uns