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das Kind eine heiligende und bewahrende Macht. Und weil das Kind niemand für größer, besser und herrlicher hält als seine eigenen Eltern, wird es frühzeitig selbst beten lernen wollen.

 Du Mutter, die du in die Gesellschaft gehen mußt und keine Zeit hast, die Händlein deines Kindes zu falten und mit ihm das alte Kinder- und Armeleutegebet zu sprechen, wird dir nicht die Gesellschaft zur Pein und zur Hölle? Dein Kind schläft ungebetet ein! Und du, Vater, der du Abend für Abend in deine Erholung gehst, weil du, wie du meinst, den Tag über dich müde gearbeitet hast, hast du nie Zeit deinem Kinde einmal eine biblische Geschichte zu erzählen, ihm den Mann am Kreuze lieb und teuer zu machen? Weißt du nicht, daß du an deinem Kinde einen Gottesraub begangen hast? Du hast ihm seinen Heiland vorenthalten!

 Und wenn das Kind sieht, wie Vater und Mutter sich gegenseitig in Zucht der Heiligung nehmen: die Tränen im Auge der Mutter, die das Kind beleidigt hat – die Mutter hat kein hartes Wort gesprochen, sondern nur geweint um das Kind – die gefurchte Stirne des Vaters: Ich habe Kinder auferzogen und erhöht und sie sind von mir abgefallen, – das alles bleibt dem Kinde eine wundersame Predigt. O, der schweigende Schmerz ist auch eine Größe!

 Denkt ihr nicht, welch eine Gewalt in euerem Wandel liegt, wenn ihr etwa nicht erlaubt, daß vor euren Kindern über die Lehrer geredet wird! Manch ein Vater hört es sogar gerne, wenn der Knabe über seinen Lehrer witzelt, über seinen Lehrer klagt, und mit heimlichem Lächeln sieht er zur Mutter hinüber: welch ein geistreiches Kind wir haben! O ihr Toren! Und dieses Kind, das eben über den Lehrer gewitzelt hat, wird nach einigen Jahren auch über die Eltern spotten. Seht, wenn Eltern nicht in ihrem