Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/115

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Menschen erzieht, nicht wie der es will, sondern wie er es braucht. Du sagst: ich bin ein melancholisches Temperament, darum brauche ich viel Sonne, aber Gott weiß es anders. Du scheinst melancholisch und bist es nicht. Darum gibt Er dir nicht zu viel Sonne; mehr Sonne als du hast, würde dich übermütig machen und die Treue dich vergessen lassen. Und du sagst: ich bedarf langsamer Führung; denn ich bin phlegmatischer Veranlagung – bekanntlich schätzen sich die Leute immer falsch ein. Aber dein Gott treibt dich und heißt dich dahin gehen, wo du nicht wolltest und fordert dich auf, schneller auszuschreiten, weil du einen langen Weg vor dir hast. Führt dieser nicht, wie du willst, so führt er dich doch, wie es gut ist.

 Und du sagst: warum hat Er mir so viele Aufgaben gestellt und so viele Erwartungen in die Seele gesenkt und ich kann weder die Aufgaben lösen, noch die Erwartungen erfüllen? Weil Er eben dein Leben auf eine weitere Bahn angelegt hat als diese Erde und weil Er dir noch eine ganze Ewigkeit bestimmte, in der dein Naturell zu seinem Recht und dein individuelles Bedürfnis zur Entwicklung kommen kann. Wenn du glaubst, in diesem Leben fertig zu werden, so leugnest du seine väterliche Treue; denn dieses Leben ist nur der Anfang und die Vorbildung und der Anlauf, während das ewige Leben Vollendung, Ausführung und wirklicher Weg ist. Es wird niemand fertig in dieser Welt, wohl dem, der in dieser Welt fertig werden möchte!

 Sieh, darum also nennt Er sich Vater, weil Er so auf alle Einzelheiten deines Wesens eingeht, auf dein Temperament, deine Stimmungen, auf deine Umgebung, weil Er dir eben soviel Sonne gönnt, als du brauchst, und soviel Sturm dir schickt, als dir vonnöten ist.

 Wenn du durch einen großen, reichen Garten gehst, wunderst du dich, weil manchmal der Gärtner eine Pflanze