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Wege zur Selbsterkenntnis führen, werde angezeigt, das Urteil der Welt in seiner Wandelbarkeit, der Umgebung in ihrer Wechselhaftigkeit, des Gegners mit dem scharfen, des Freundes mit dem ernsten, treuen Blick, wie das Gesetz das vernichtende, Jesu Vorbild das klarste und ernsteste, aber auch barmherzigste Urteil spricht. Denn nicht gelte es zu fragen: Was würde Jesus hier tun oder getan haben, sondern zu erkennen, was er getan hat und wie wir, an ihm gemessen, auf tausend nicht Eines antworten können. Die alte Haustafel, das sechste Hauptstück des kleinen Katechismus müssen beigezogen werden, nicht um zu „Standespredigten“ den Text zu geben, sondern um die allgemeine Sündhaftigkeit, deren Erkenntnis ebenso schwer als das Bekenntnis bequem ist, am einzelnen zu erweisen. Die alte Einteilung der Sünden mag fremdartig anmuten. Aber an ihrer Hand wird die Unterlassungssünde (Jakob. 4, 17; dieser Brief ist überhaupt als Beichtspiegel sonderlicher Art zu brauchen. Kögels Bibelstunden öffnen sein Verständnis) erklärt, die „Sündhaftigkeit kleiner Sünden“ (es sei an das tiefe Büchlein des Londoner Bischofs Jakson, das auch in deutscher Übersetzung von Pfr. Holtey vorliegt, erinnert) aufgezeigt, vor allem aber der Ernst des durchsündeten Zustands erläutert. Die Jugend mag der Übereilungs-, das spätere Alter der Beharrungssünde zu zeihen sein. Aber in allem Ernste der Bußpredigt – mea peccatilla coram te quanta peccata! – habe doch Jes. 40, 1 den Grundklang! Von dem schweren nächtigen Hintergrunde der Sünde hebt sich seit dem großen Dienst der Fußwaschung von Erdenstaub und