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„Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist.“

 Berufung des heiligen Geistes ist es, wenn ich über die Straße gehe und mitten im Getümmel des Festes ein Leichenwagen den Weg quert. Ich halte still und frage, was Er mir zuruft. Und Er spricht: bedenke, Mensch, daß du sterben mußt; was ist’s dann mit deinem Leben? – Er hat mich durchs Evangelium berufen.

 Und zum zweiten: mit Seinen Gaben erleuchtet. Vielleicht dient ein Erlebnis von Delitzsch, von ihm selbst erzählt, zur besseren Erklärung. Er sagt, er sei einmal als Student spät abends in seine ärmliche Häuslichkeit heimgekehrt. Er sei, nachdem er die Türe geöffnet hatte, auf einmal wie gebannt stehen geblieben, konnte keinen Schritt vor- noch rückwärts machen, und es war, als ob eine unsichtbare Macht ihn halte. Da fiel aus den damals noch so kümmerlich erleuchteten Straßen Leipzigs ein Laternenschein herein durch ein Treppenfenster und er sah, daß er dicht an der offenen Kellertüre stand; er wäre also hinab durch die Falltür in den tiefen Schacht gestürzt.

 Das ist Erleuchtung des heiligen Geistes – ins Geistliche übersetzt. Der heilige Geist erleuchtet mir den Abgrund, vor dem ich stehe: ein Schritt weiter und du bist verloren und des Todes. Er ist die einzige Größe in der ganzen Welt, die uns nicht betrügt. Auch deine Freunde machen dir törichte Lobsprüche. Du willst von einem Menschen wissen, was er von dir hält. Aber du fragst ihn um des Genusses willen, damit er sich mit dir beschäftigt, sich in dich versenkt, innerlich sich mit dir vereint. Es liegt in dieser, scheinbar seelsorgerlichen Hilfe begehrenden Frage eine dämonische Finsternis. Wie viele Menschen fragen ihre Mitmenschen um ihre Meinung nur deshalb, weil es ihnen selbst recht interessant vorkommt. Sie hören auch ganz gerne scharfe Urteile, um sich daran zu laben, um aus ihnen eine andere Frage