Seite:Hermann von Bezzel - Der 3. Glaubensartikel.pdf/87

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ordnung, die der heilige Geist nicht schablonenhaft, nicht schematisch, sondern in heiliger Freiheit mit jedem Menschen geht, lautet: Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu Ihm kommen kann. Und wenn ich mich aller Gaben rühmen dürfte und wäre ein wirklich genialer Mensch, der nicht die Heerstraße zu gehen hätte, die der Durchschnittsmensch gehen muß, und wenn ich ein Mensch wäre, dem die Zusammenhänge von Sünde und Strafe, von Schuld und Gnade ganz klar vor Augen liegen, der über Volksverschuldung und Völkerkrieg, über Weltsünde und Weltkrieg ganz klar wäre, so könnte ich doch des Krieges Pein und der Strafe Not und des Elendes Angst nicht aus eigener Kraft wenden. Denn etwas anderes ist’s, eine Erscheinung erklären, als eine Erscheinung wenden. Ein tiefgründiger Arzt kann die Zusammenhänge eines verborgenen Leidens ganz klar auseinanderlegen, Blutstauungen, Verhärtungen, Verkalkungen, alle diese geheimnisvollen Vorgänge in den Arterien kann er an dir genau sagen, aber aufhalten kann er den Prozeß nicht.

.

 Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft – und wenn sie noch so hoch gebildet wäre – an Den glauben kann, Der über alle Vernunft ist. Niemand hat Jesum mit eigener Vernunft entdeckt. Wenn ich in die Tiefen alles Wissens grübe und in die Schächte aller Erkenntnis hinabstiege mit dem trüben Grubenlichte der Vernunft, dann sähe ich wohl Spukgestalten hinter jeder Säule und Schatten und Schreckensbilder in jedem Winkel, aber Den sähe ich nicht, Der über alles Grauen siegt und herrscht. Wenn ich mit der größten Verständigkeit eine große Unbekannte im Weltall fände, so kann ich nur feststellen: hier steht die Unbekannte! Aber ich kann die Größe niemand vor Augen führen, sie nicht zwingen die Schleier abzuwerfen und zu sagen: Ich bin dein Herr, der dich erlöst. Seht, ihr werdet mir nicht zutrauen,