Seite:Hermann von Bezzel - Der 3. Glaubensartikel.pdf/35

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Seele, Entwicklung der Seele, Los der Seele nach dem Tode, das hat man im alten Athen vor 2300 Jahren auch gelehrt, nur etwas geistreicher wie jetzt. Und all diese Fragen, die mehr auf den Hintergrund des Lebens zurückgehen, haben die alten Inder in ihrer Weise längst schon gelöst. Nein, weg mit den Gedanken, als ob die Kirche eine Schule von Suchenden wäre oder eine Verbindung von allerlei geistreichen Forschern und solchen, die, weil sie zuhören, selbst glauben geistreich zu werden. Das ist die Kirche nimmermehr! Sondern Kirche ist eine Gemeinschaft von Besitzenden, solcher, die da sagen: „Mir ist nicht um tausend Welten, aber um Dein Wort zu tun,“ die jeder, wenn auch auf verschiedene Weise und in verschiedener Art und an verschiedenem Ort und zu verschiedener Zeit erfahren hat: „Dein Wort macht die Albernen weise, Dein Wort tröstet!“ (Ps. 19, 8.)

 Es treffen sich drei oder vier Menschen, die alle vier an Gräbern standen; der Eine begrub seinen Vater, seine Mutter der Andere, den geliebten Gatten der Dritte, das einzige Kind der Hoffnung der Vierte. Sie haben ganz verschiedene Scheidungen und Leiden erlebt, aber dasselbe Kreuz haben sie auf die Gräber ihrer Lieben gepflanzt und unter dasselbe Gotteswort haben sie die Gräber ihrer Lieben eingefriedet, und derselbe Trost ist ihnen allen am Grabe geworden. Und nun kommen sie zusammen und sagen: „Hat uns das Leid so wundersam aneinander und zueinander gebracht, so soll auch der gemeinsame Trost uns zusammenhalten.“ Da kommt ein Mensch, der durch Jahre eine schwere Ehe getragen hat, nicht als eine Last, unter der er zusammenbrach, sondern als eine Aufgabe, unter der er wuchs, der mit einem Menschen zusammenlebt, für den er und der für ihn nicht geschaffen war. Und nun hat dieser Mensch durch die Kraft des Kreuzes Jesu den andern, mit dem er verbunden war, nicht bloß tragen, nicht bloß dulden, nicht bloß pflegen, nicht bloß lieben, sondern auch achten gelernt.