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müssen, ohne das Auge der Sonne zugewendet zu haben, in die volle Sonne sehen sollen, ohne sonnengewohnt zu sein, das ist der Tod, der Tod im Leben. Ihr wißt, wenn man die herrlichste Glocke, die Domglocke von Köln, in einem luftleeren Raum läutet, hört man keinen Klang, man sieht nur die Bewegung der Glocke, man hört nichts. So wird es der Seele sein. Alle Trostworte Gottes, alle Friedensgrüße Jesu, alle wundersamen Erquickungen des heiligen Geistes wird sie hören und spurlos wird alles an ihr vorüberrauschen.

 Es sieht der reiche Mann das Glück des Lazarus, und dadurch wird sein Unglück noch gemehrt. Ach, den ewigen Tod sich ausmalen ist sehr wohlfeil, es gibt auch eine Wollust des Schmerzes. Die ewige Höllenpein sich ausschildern, bis ein gelindes Grauen die Seele wohltätig überrascht, ist faul und feig. Aber deshalb spricht Jesus die Wahrheit so furchtbar ernst von jenem Tage, da Er majestätisch die einen Kreaturen zu Seiner Rechten und die anderen zu Seiner Linken scheidet, daß jeder von uns täglich die Hände faltet und spricht: „Setze mich zu Deiner Rechten, scheide mich von allem Schlechten, zähle mich zu Deinen Knechten!“

 Es gibt eben ein Doppeltes: an Jesus hellste, hehrste, heiligste Freude: ich bin bei Jesus und daheim! und – furchtbarstes Los: tue weg den Anblick des Nazareners, ich kann Ihn nicht sehen! – Und das Bild des Heilandes bleibt. Der Wunsch einer von Gott geschiedenen Seele, daß Jesus nicht mehr erblickt werden müßte, damit endlich die Seele sterben kann, wird nie erfüllt. Durch die Ewigkeiten ragt, mit dem heiligen Ernst der Wahrheit, in ein unwahres Leben das Bild Jesu Christi: Du mußt Mich ansehen, weil du es nicht willst!

 Er wird am jüngsten Tage alle aus dem Tod zu Leben erwecken. Ja, wenn es nur ein Leben wäre, das sich selbst verzehrt! Ludwig Richter in seinem Lebensbild erzählt einmal, was es für einen Eindruck auf ihn gemacht habe, wie er als Knabe ein