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von der Liebe Gottes?“ (Röm.8, 35) – das ist Geistesart und Geisteskraft.

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 Was vom Geist geboren ist, das ist Geist! Wenn man euch fragt: „wer hat der Welt mehr genützt, der Welt, nicht der Kirche, Jakobus mit seinen fünf Kapiteln oder Goethe mit all seinen Werken?“ und ihr habt dann den Mut zu sagen: „Goethe“, dann kennt ihr die Welt nicht und Goethe nicht und Jakobus nicht. Ich schäme mich nicht, zu sagen – und ich glaube, daß ich auch ein Urteil besitze –, daß Jakobus mit dem einen Wort: „So seid nun geduldig, lieben Brüder, und wartet auf die Zukunft des Herrn!“ (Jak. 5, 7), viel mehr genützt hat als Goethe vielleicht mit seinem Faust. Das kleinste Gotteswort, das aus innerer Andacht geboren ist, der unscheinbarste Gesangbuchvers, den ein Mensch im Sterben betet, der letzte Katechismus-Erinnerungsklang, den ein nach langen Irrfahrten Heimgekehrter noch erfaßt, das sind Dinge, die aus dem Geist geboren sind, und der Geist kann nicht sterben. Wir würden alles anders ansehen, wir würden auf der einen Seite mit der größten Anspruchsfülle und auf der anderen mit der größten Anspruchslosigkeit unseres Weges ziehen, wenn wir das bedenken wollten. Die Anspruchsfülle heißt: mache mir den Himmel offen, der Du in Deines Vaters Hause viele Wohnungen hast, gib mir, daß meine Seele Frieden hat! Was ist das für eine Anspruchsfülle, daß ein einzelner Mensch sich an seinen Gott und Herrn wendet und Ihn drängt, Er müsse ihm Frieden geben. Denkt euch, was wäre es Anmaßliches, wenn unsereiner dem deutschen Kaiser seine kleinen, armen Anliegen alle Tage von neuem aufs Gewissen legen würde. Die ganze Welt würde ihn einen Narren nennen. Und zu unserem allerheiligsten Herrn dürfen, ja sollen wir alle Tage sprechen: „Erhalte mein Herz bei dem Einigen, daß ich Deinen Namen fürchte!“ (Ps. 86, 11.) Das ist die höchste Anspruchsfülle, und doch mit dieser Anspruchsfülle Hand in Hand geht die größte Anspruchslosigkeit.