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Vergehen soll nicht das letzte Wort auf Erden sein, und das, was das Auge an Hinfälligkeit und Vergänglichkeit gewahrt, soll nicht sein letzter Anblick bleiben, sondern das letzte Wort soll die Taufgnade haben, von der es heißt: „Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde, wenn der Wind darüber gehet, so ist sie nimmer da. Die Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Ps. 103, 15–17).

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 „Was vom Geist geboren ist, das ist Geist!“ Das ärmste Kind, über das der Weihquell der heiligen Taufe ausgegossen ist, dessen ärmster Gedanke hin zu Jesu zieht, dessen unbewußtes, unbedachtes Sehnen den Himmel sucht, der Bettler draußen auf der Straße, der seine Krücken alle Morgen in der Gewißheit aufhebt: „es kommt einmal der Tod behende und alle Qual hat dann ein Ende“, die suchende Seele, die weit über Berg und Tal nach einer bleibenden Heimat verlangt, jeder deiner Gedanken, der von der Erde sich löst – bald im Sturm des Jammers, bald in der Stille des Sehnens –, ist vom Geist geboren und ist Geist. Es heißt nicht: alles Geistreiche, alles Großartige, dann wäre Goethe ein Heiliger, während er ein armer Sünder war. Es heißt nicht: alles Suplime, alles Bedeutende, dann wären die Durchschnittsmenschen die allerunglücklichsten, sondern: „was vom Geist geboren ist“. Wenn ein Bauersmann seine schwieligen Hände faltet: „mach End, o Herr, mach Ende!“, wenn ein Tagelöhner draußen auf der Straße, an dem ihr vorbeigeht und denkt gar nicht, daß er eine unsterbliche Seele hat, bittet: „gib, daß ich zufrieden werde!“ wenn in diesen Zeiten, wo all die Fragen nach den Nahrungsmitteln so im Vordergrund stehen, etliche sich heraussehnen: „ach, eins ist not, ach Herr, dies Eine lehre mich erkennen doch!“ seht, das ist vom Geist geboren. Und wenn der Kriegsmann in der entscheidenden Stunde sich zuruft und einer dem andern das Geheimnis anvertraut: „Wer will uns scheiden