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nun in der Heimat ohne Versuchung zur Sünde thront. Diese Berge der Heiligkeit sind zugleich die Berge, zu denen das Flehen der Menschheit durch Jahrtausende hinaufgedrungen ist: „ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von denen mir Hilfe kommt.“ (Ps. 121, 1.) Wie viele Tausende haben schon in dieses Psalmwort ihre geängstete Seele, die kleinen und großen Anliegen, all das, was sie beschwert und geängstet hat, was sie bange und sorglich machte, hineingetragen. Wie viele Wellen von Menschenleid und Menschentränen sind schon zu diesen Bergen hinangestiegen, wie viele Menschen haben sich nur hier, in diesem engen Raume, schon zu ihnen geflüchtet!

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 So sind es nicht Berge eisiger Heiligkeit, eines Glanzes, zu dem niemand das Auge aufzuheben wagt, einer fremden Majestät, die das Blut erschauern und das letzte Leben ersterben läßt, sondern es ist die Heiligkeit, die sich uns fürbittend zuwendet – „ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen“ –, die jetzt droben zur Rechten der Majestät dem Vater ohne Unterlaß Menschenlos und Menschenlast darstellt, die aus der Erfahrung ihres Leidens und Sterbens, ihrer Angst und Not den himmlischen Vater schildert, was es um Menschenleben und Menschenelend ist. Seht, wenn wir droben an den Bergen der Reinheit, da sich alle Nebel und Schatten, all der Brodem der Sünde, all die furchtbaren Erdennebel nicht hinwagen, keinen Vertreter hätten, so würde unser Leben am Fuße des Berges zerschellen. Wir glichen solchen, die ihr leckes, mattes, müdes Schiff an einem Felsen bergen wollen, an dem es zerschellt. Wir wären den armen, hilflosen Seeleuten gleich, die hoffen, es möchte das Eiland sie aufnehmen, und das Eiland mit seinen gen Himmel ragenden Felsen und Klippen läßt das Schiff nur an sich herankommen, um es zu zerbrechen. – Nein, es sind die Berge, über die der barmherzige Fuß unseres Hohenpriesters schreitet, auf denen er alltäglich und allstündlich, bis die Vollendung seiner