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das Kreuz über meinem Leben ragte! Ich wüßte keinen Sinn des Lebens und keinen Zweck des Daseins. Denn dazu bin ich mir doch zu gut, den Acker draußen zu düngen. Aber wenn ich in das große, schweigende Rätsel, das man Sterben heißt, das Kreuz des Todesüberwinders stelle, vergeht nicht der Schrecken, weicht nicht die Angst, schweigt nicht der Schauer, aber es wird alles milder und linder, bis ich endlich durch Nacht und Grauen Jesum sehe, ihn allein. Das ist Allmacht.

 Und dieser Allmächtige, so sagen wir weiter, ist heilig und gerecht.

 Vernichtend hört Jesaias das dreimal Heilig der vor Gottes Majestät sich bedeckenden Seraphim. (Jes. 6.) Wenn die heiligen Engel ihm nicht ins Auge sehen können und die reinen Söhne des Lichts ihn nicht ganz gewahren dürfen, wo soll ich bleiben? Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk unreiner Lippen. Es ist etwas Furchtbares, daß so reine, wahre, lautere Lebensmaße über meinem zerrissenen, unguten Leben ragen. Aber heilig sein ist doch im letzten Grund nicht Feindschaft gegen den Sünder, sondern Feindschaft gegen die Sünde. Jesajas, der eben noch gesagt hat: ich vergehe, kann nach wenigen Minuten sagen: hier bin ich, sende mich. Der Prophet, der eben noch zu Tode erschrocken war, kann, nachdem seine Lippen gereinigt sind und sein Herz geheiligt ist, sagen: ich will dein Bote sein. Die Heiligkeit Gottes ist der große, durchgreifende, einschneidende Ernst gegen die