In den besten Jahren, mit einer Rente von zehntausend Mark?
Hals über Kopf reiste ich, gepeinigt von schrecklichen Ängsten zum Geheimrat Möhrenfeind.
Wiederum ließ ich mich überzeugen. Ich sah meine einzige Rettung und Hoffnung in einem Blinddarm aus Schafsdarm nach Möhrenfeind.
Fünf Monate lag ich bei Möhrenfeind. Das kostete achtzehntausend Mark.
Gealtert, abgemagert kehrte ich nach Hause zurück. Was war aus mir geworden? Was hatten die Ärzte aus einem sorglosen, glücklichen Menschen gemacht? Ein schrecklicher Haß gegen die ganze Gilde stieg in solchen grüblerischen Stunden mit Macht in mir auf, eine besondere Wut gegen meinen Schulfreund Sebald.
Es kamen wohl Tage, an denen ich über köstlichen Gerichten und schönen Weinen meine Sorgen vergaß. Aber immer wieder bekam die Angst um meinen Leib die Oberhand und ließ keine harmonische Behaglichkeit aufkommen. Der Gedanke: war mein Darmersatz nun das Richtige? quälte mich unausläßlich.
Mein böses Geschick mußte mich in den Vortrag des berühmten amerikanischen Arztes, des Professors W. C. Manhattan Cover-Coat führen. Dieses mein furchtbares Geschick, weh mir!
W. C. Manhattan Cover-Coat war eine weltberühmte Appendix-Autorität. Er hatte unlängst die fünfhunderttausendste Blinddarmamputation vorgenommen und war aus diesem Anlaß zum Ehrenvorsitzenden sämtlicher Blindenanstalten der Welt ernannt worden.
Seine Vortragsreise galt einer energischen Propaganda gegen die Theorie der künstlichen Blinddärme.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/248&oldid=- (Version vom 1.8.2018)