„Die linke Niere muß raus, muß sofort raus!“ Ich richtete mich jammernd mit letzter Kraft auf und stöhnte: „Blinddarm, Blinddarm.“ Darauf fiel ich in meine Kissen zurück. Es dauerte eine Weile bis die weißen Männer Professor Weichteil richtig informiert hatten. Er wollte die Niere nur ungern fallen lassen.
Punkt elf schob mich der Henkersknecht, der mich geseift hatte, auf einem weiß angestrichenen Krankentransportwagen in einen großen, hellen Saal. Hier war es scheußlich heiß, und es roch übel nach Chemikalien. An den Wänden standen hohe Glasschränke mit bösartig glänzenden Instrumenten. Eine große Zange fiel mir besonders ins Auge, sie schien mich zu fixieren, und ihre Kiefer nach mir zu weiten. Ein riesiges, nach Blut schreiendes Messer ließ mich erzittern. Die weißen Männer hatten sich weiße Mützen aufgesetzt und das ganze Gesicht vermummt.
Grause Furcht packte mich.
Plötzlich stülpte man mir heimtückisch von hinten etwas über die Nase, ohne daß ich darum gebeten hatte. Ein widerlich, süßlicher Geruch drang auf mich ein. Ich hörte, wie jemand neben mir sagte: „Drei Mark zwanzig habe ich gestern im Skat verloren.“ Dann noch eine andere Stimme: „War es das linke oder rechte Bein?“
Ein gräßlicher Krampf schüttelte mich. Ich wollte schreien. Ich verlor das Bewußtsein.
Als ich wach wurde, lag ich in meinem Bett. Eine Krankenschwester saß neben mir und häkelte etwas, was durch das Klappern der Holzstäbchen immer länger wurde. Ich wollte fragen, ob ich tot wäre, brachte aber keinen Ton heraus. Ich schlief wieder
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/243&oldid=- (Version vom 1.8.2018)