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Alltags, von jedem Mißklang in die Harmonie meiner Tage war vollkommen. Alle wohlmeinenden Bekannten mit Ratschlägen, verdächtigen Altruismen und ehrlicher Freundesentrüstung hatte ich mir allmählich vom Halse geschafft. Man gab mich auf und sprach schlecht von mir.

Was kümmerte mich das? Ich hatte den Alltag überwunden. Ich lebte das Vergessen der Miseren des Lebens.

Dann platzte eines Tages mein alter Schulfreund Sebald in mein Idyll. Ich hatte ihn seit Jahren nicht gesehen.

Es war gegen zwölf Uhr vormittags, ich lag noch im Bett und sann wollüstig darüber nach, welche Leckerbissen mir meine Köchin wohl heute vorsetzen würde.

Sebald setzte sich ohne Umschweife an mein Bett und erzählte, er sei Arzt geworden und habe sich in dieser Stadt niedergelassen. Von alten Erinnerungen sprach er dann, leitete allmählich zu mir und meiner Lebensweise über, über die er genau informiert schien, und war auf einmal daran, mir in ernstem vorwurfsvollem Ton mein Leben vorzuhalten.

Ich wurde unruhig. Diese Anzapfung paßte mir sehr wenig. Aber Sebald sprach so ehrlich und herzlich. Ich versuchte ihm wissenschaftlich zu kommen und mein Leben im Hinweis auf die indischen Yoghi zu rechtfertigen. Ich hätte die gleichen Maximen: Abrücken von dem Gehaste der Welt und allen Leidenschaften, Sichversenken in Meditationen und ins Nirwana. Ganz ginge ich natürlich nicht mit den Indiern. Asketischen Unfug, Glas und Erde essen,

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)