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Tischplatte und laut Theorie des Doktors Jean Maurice Ragoût-Fin völlig zersetzt.

Und als Margot mir mit einem reichen Amerikaner eines Tages durchbrannte und ich beim besten Willen meine Lunge nicht weiter – aus rein wissenschaftlichem Schamgefühl – mehr zu vergrößern wagte, habe ich mir ein reines Nachthemd angezogen, habe mein Testament gemacht, zwei Kränze an mein Bett gestellt, eine schwarze Schleife an die Tür gemacht, habe mich ins Bett gelegt, die Hände gefalten und den Tod erwartet. Ohne Lunge konnte ich nicht weiter leben. Das war doch klar.

Nach einigen Tagen merkte ich, daß ich nicht tot war und mich in demselben fidelen Zustand befand, der mir unter der Bezeichnung „Leben“ bekannt war.

Da bin ich zur Überzeugung gekommen, daß ich ein Phänomen sein müsse: Der Mann ohne Lunge. Etwas noch nie Dagewesenes.

Die Zeichnung Jean Maurice Ragoût-Fins, ergänzt von mir, kann bei mir als Beweis für meine Lungenlosigkeit jederzeit eingesehen werden.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)