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zu Zeit auf den Boden fielen. Ein junger Mensch mit Mitessern im Gesicht, der fortwährend um nichts errötete und vor lauter Angst entsetzliche Mengen Brötchen aß, saß neben ihnen.

Einige ältere Damen mit würdigem, silberweißem Haar und schwarzen Gardinchen auf dem Kopf guckten streng auf zwei Backfische in frisch gestärkten, abstehenden Kleidern, die fortgesetzt die Köpfe zusammensteckten und kicherten.

Schräg mir gegenüber, neben dem Ehepaar mit dem Jungen, saß eine dicke, gefährlich dicke Dame in einer seidenen Bluse mit Spitzeneinsatz, der man ansah, daß sie viel Geld gekostet hatte, am Halse ein großes, mit Brillanten besetztes Hufeisen. An den dicken Fingern und in den Ohren nochmals Brillanten.

Wer auf meiner Seite saß, konnte ich nicht sehen.

Es gab Suppe mit langen Fadennudeln. So lange Nudeln hatte ich noch nie gesehen. Die Dinger mit einer gewissen Grazie zu verschlingen, ist immerhin nicht ganz leicht. Vom Löffel flutschen sie zurück in die Suppe, oder auf das Tischtuch, oder auf meine Rockaufschläge, viele blieben auch am Kinn und an den Backen hängen und bildeten einen wallenden Bart. Ich wurde nervös. Die Leute guckten schon. Der Junge mir gegenüber lachte laut und stopfte sich mit den Fingern die Nudeln klumpenweise in den Mund. Seine Mutter sagte, das sei ein echtes süddeutsches Gericht. Jetzt war mir ein Nudelwirrwarr auf den Boden gefallen, meine Füße verwickelten sich darin. Ich strampelte mit den Beinen, um mich aus der glitschigen Umschlingung zu befreien, trat dabei unter den Tisch, daß die Teller hochsprangen. Ich wurde immer nervöser. Jetzt hing mir eine lange Nudel

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)