vorzuführen. Von meinen weißen Flanellhosen mit messerscheideartigen Bügelfalten erhoffte ich eine besondere Wirkung, einen vollen, durchschlagenden Erfolg.
Man war schon an der Suppe. Das Suppengeschlürfe verstummte plötzlich: alles schaute mir entgegen.
Ganz unten an der Tafel wies man mir einen Platz an.
Ich machte eine Verbeugung nach vorn: da saß ein Ehepaar mit einem vierjährigen Jungen in einer weißen Matrosenbluse. Nach links: gegen einen bärtigen teutschen Mann in Wollwäsche und mit einer Troddel am Hals heraus.
Als ich saß, ging das Suppengeschlürfe wieder munter weiter.
Ich schaute die Tafel hinauf. Oben am Kopfende saß breit ein dicker Herr mit einem roten Gesicht und einem goldenen Kneifer; der Kneifer war mit einem Kettchen an einem um das Ohr gelegten Haken befestigt. Auch hatte der Herr einen Schmiß über die Backe. Trotzdem war er nicht stolz und sprach jovial mit seinen Nachbarn, die sich sichtbar geehrt fühlten und häufig „Herr Rat“ sagten.
Dann fielen mir zwei magere Damen auf mit bescheidenen runden Haarknüzchen als Frisur hinten im Nacken und im Rücken abstehenden Korsetts. Die eine mit einer Elfenbeinbrosche: eine Hand mit einem Blumenstrauß. Die andere mit einer großen Kameenbrosche mit dem Bild der Königin Luise. Neben ihren Tellern standen Medizinflaschen und eine Schachtel mit Pillen. Über den Stuhllehnen hingen rote, gehäkelte Tücher mit Fransen, die von Zeit
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/205&oldid=- (Version vom 1.8.2018)