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mir, weiß Gott, nicht helfen, ich kann es nicht länger tragen, der schauerliche Alb muß von mir weichen, ich muß es in die Welt hinausschreien, ich muß davon sprechen – – von dem abgebrochenen Bohrer in dem Backenzahn der Wirtin Wehneibe Plümecke im Jägerhaus und von ihren Zahnfisteln.

Tagelang quälte mich diese entsetzliche Sache.

Überall sah ich dicke, verschwollene Backen, blutige Zähne, klaffende Zahnlücken.

Ich suchte vergebens im Alkohol Vergessen zu finden; das schauerliche Bild wich nicht von mir.

Ich floh in die Berge; die Vision verfolgte mich in das einsamste Tal, auf die höchsten Höhen.

Ich kann den Spuk nicht anders bannen: ich muß davon reden.

Wehneibe Plümecke hat den besten Wein im Keller weit und breit. Das ist ihr Stolz.

Sie liebt ihre Sammlung erlesener Jahrgänge mit der fanatischen Liebe eines echten Sammlers.

Nur wenigen Auserlesenen, denen es gelingt, ihre Gunst zu erringen, öffnet sie die Türen ihrer Schatzkammer. Sie rückt aber nie mehr wie zwei Flaschen der exquisiten Tropfen auf einmal heraus. Darin ist sie unerbittlich, selbst ihren bevorzugten Stammgästen gegenüber. Wer noch weiter trinken will, muß sich mit den geringeren Sorten begnügen, von denen sie sich ohne großen Schmerz trennt, die jedoch, wie sie behauptet, für die Böotier noch viel zu schade sind.

Zwei Wochen war ich schon hier und hatte noch keine Ahnung von den Sensationen des Plümeckeschen Kellers. Die Wissenden bewahrten ihr Geheimnis im tiefsten Herzen.

Ich wohnte hier im Hotel zusammen mit meinem

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/183&oldid=- (Version vom 1.8.2018)