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Herbsttage am Rhein.

Der beliebte Feuilletonist des Lokalblättchens würde nicht Worte genug finden, in höchst anmutiger Form voller Poesie den Zauber der herbstlichen Natur zu schildern.

Es würde ihm gelingen, tiefe Herzenstöne anzuschlagen, die ihre Wirkung auf den gemütvollen Leser nie verfehlten.

Er würde vielleicht in geistvoller Weise eine Parallele ziehen zwischen dem menschlichen Leben und der Natur. Er würde den Herbst ein Memento nennen, das uns zu innerer Einkehr zwinge und uns an Sterben und Vergehen gemahne. Er würde jene zarte Melancholie bei uns erwecken, der der Mensch beim Fallen der Blätter nur zu gerne geneigt ist nachzuhängen. Tränen würden uns, wenn wir solches beim Morgenfrühstück lesen, über die Wangen rollen und in den ohnehin schon dünnen Kaffee und auf das Krautbutterbrot, vielleicht auch auf die gestärkte Hemdenbrust oder auf die Battistbluse fallen.

Dann würde er es aber auch nicht unterlassen, uns wieder aufzurichten und uns hoffnungsfreudig zuzurufen: „Menschenkind verzage nicht. Nach Wintersnacht kommt der Lenz, der sieghafte Lenz!“

„Menschenkind,“ würde er wiederholen, „sieh den Herbst in seiner goldenen Pracht. Lausche seinen Sinfonien. Genieße was er dir Schönes bietet!“

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)