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herunterzuschnitzen. Es ist unzart, und du kannst aus Versehen in das richtige Bein schneiden, vielleicht gar die Kniescheibe abschneiden. Kniescheiben eignen sich ganz und gar nicht zu Zahnstochern. –

Es ist direkt eine Kunst, ein Hotel wirksam zu betreten. Ich hatte stets einen enormen Respekt vor dem Vestibül eines großen internationalen Hotels mit den in tiefen Stühlen pagodenhaft aufgebauten Menschen. Worte von Ewigkeitswert werden hier gesprochen, sagte ich mir. So feierliche, ernste Menschen, so unnahbare Geister werden die höchsten Probleme menschlicher Erkenntnis, irdischer Sehnsüchte in ihren Gesprächen behandeln. Wie vorwurfsvoll schauen diese Edelmenschen auf den Ankömmling, der durch sein Erscheinen die Sphäre feinsten Denkens stört. Nachdem ich jedoch einmal Gelegenheit hatte, einem derartigen Vestibülgespräch zu lauschen, sank meine Hochachtung um einiges. Drei in ihre Sessel vergrabene amerikanische Denker behandelten in tiefsinniger, eingehender Weise die Frage, ob englische, italienische, französische oder deutsche Streichhölzer die besseren seien.

Ich hätte mir das wirklich vorher sagen können, daß es für mich nicht das Richtige war, ausgerechnet in den Riviera Splendid Palace (sprich Pälläß) zu ziehen.

Gleich am ersten Mittag passierte mir eine dumme Sache, die mein Prestige erheblich erschütterte.

Es war Brauch in diesem Hotel, daß den Gästen bei Tisch die Speisen vom Kellner vorgelegt wurden. Dieses Vorlegen bestand darin, daß der betreffende Kellner mit einer fabelhaften Geschicklichkeit, die einen japanischen Jongleur beschämt haben würde,

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/164&oldid=- (Version vom 1.8.2018)