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Sätze den erlösenden Übergang zu bringen vermochte, trat mir der Angstschweiß auf die Stirn. Ich wurde verwirrt und geriet in die zweite Serie von Sätzen, die laut Grammatik eigentlich nur bei schöngeistigen Gesprächen anzuwenden waren. Die Blinddarmaffektionen des älteren Plinius, die Impfpocken Columbus’, die Mehlwürmer der Prinzessin d’Este, alles geriet mir durcheinander. Ich begann zu zittern, das Blut stieg mir zu Kopf, Tränen liefen mir über die Backen, die Fontanellen krachten hörbar. Ich wurde immer blöder, konfuser und begann auf einmal, als ich in italienisch nicht mehr weiter wußte, die zehn Gebote auf deutsch aufzusagen.

„O, Sie sind ein Deutscher,“ unterbrach mich der Ladeninhaber in Schweizer Dialekt, „ich hatte Sie für einen Russen gehalten und mich schon gesorgt, wie wir uns verständigen sollten. Womit kann ich Ihnen dienen?“

Gott sei Dank! Der Mann war kein Italiener. Mein bereits völlig erschüttertes Vertrauen auf meine Kenntnisse der italienischen Sprache kehrte langsam zurück.

„Sie sprechen nicht italienisch?“ stieß ich hervor.

„Nur wenig, ich kann mir gerade zur Not helfen.“ Dann war es ja auch nicht weiter verwunderlich, daß er mich nicht verstand, daß er als Schweizer nicht das nötige Verständnis für den laut Grammatik speziell auf die italienische Volksseele eingestimmten Ton meiner Unterhaltung entgegenbrachte.

In der Pelerine mit dem kokett über die Schulter geworfenen Zipfel und dem Schlapphut sah ich fabelhaft echt aus. Jetzt noch eine bösartige, schwarze Minghetti, wie jeder Italiener sie zwischen den Zähnen

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)