Nachdem ich mein zweites Paar Gummischuhe in diesem Jahr verschlissen hatte, eine Grippe, eine Gesichtsrose und zwei Influenzaanfälle überstanden hatte, erwachte in mir mit aller Macht die alte germanische Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, dem ewig blauen Himmel Italiens. –
Es ist ein beseligendes Gefühl, bestimmt zu wissen, daß man im richtigen Zug und im richtigen Waggon sitzt.
Amsterdam – Ventimiglia stand auf dem Schild, welches draußen am Waggon angebracht war.
Das war eine Not gewesen, bis ich endlich so weit war.
Erst die nervöse Fragerei bei dem ganzen Bahnhofspersonal, auf welchem Bahnsteig der Zug einliefe, ob ich bis Como, meinem vorläufigen Reiseziel, auch sicher sitzen bleiben könne, ob der direkte Wagen nach Italien vorne oder hinten im Zug sei, ob der Zug voraussichtlich stark besetzt würde, ob Verspätung gemeldet sei, ob er schon Einfahrt habe.
Dann die Angst, der Gepäckträger würde mit meinem Handgepäck nicht rechtzeitig am Zuge sein oder mich nicht finden. Es war eine entsetzliche Hatz.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)