halben Meter Höhe mit langen wallenden Straußenfedern. Sie konnte mit dem Hut in vieles nicht hinein oder höchstens in der Kniebeuge. Sie sagte, sie wäre eine Gräfin.
Ich war stolz auf meine Bekanntschaft. Ich meine wohl, daß man das sein konnte. Außerdem war ich verlobt mit der höchst uninteressanten, schon bejahrten, dafür aber um so unerfreulicheren Tochter eines recht wohlhabenden Mannes, eines Herrn Pröbster, der eine vorzüglich gehende Gießkannenfabrik betrieb.
Ich war mit der Gräfin übereingekommen, postlagernd zu korrespondieren. Sie hatte betont, daß sie mir ihre Adresse nicht geben könnte und etwas von einem alten Grafen gemurmelt. Ich wagte auch nicht, verdächtige Briefe zu Hause zu empfangen. Ich wohnte bei meiner Tante Selma Huckepack, die die Sache mit der Gießkannenfabrikantentochter eingeleitet hatte, und sich heftig darum sorgte, daß ich mir diese gute Partie nicht verdarb.
Beim Abschied in der Hundeausstellung stellte die Gräfin mit Entsetzen und Tränen fest, daß ihr ihre Börse (sie sagte mit spitzen Lippen: „Böööhrse“) abhanden gekommen wäre. Ich wagte, ihr zwanzig Mark anzubieten, welche die scharmante Frau errötend und sich ein wenig sträubend annahm.
Ich sollte ihr unter: O. D. M. Sch. 48 (das hieß „O du mein Schnukelchen – 48 war der Gräfin Schuhnummer) schreiben, während ich ihre Briefe unter N. K. N. K. 72645 („Na Kleener, na Kleener“ war das Lieblingslied der feingeistigen Schönen und 72645 die Nummer ihres Badeabonnements) abholen sollte.
Ich hatte bereits zwei Briefe unter den angebenen
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)