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Letzterwähnte Nuance stellte den Superlativ seiner Herablassung dar und wurde von ihm nur äußerst selten in Anwendung gebracht.

Hatte jemand keinen klangvollen Namen oder Titel, so kümmerte er sich persönlich gar nicht um ihn. Höchstens, daß er mal flüchtig von der Zeitung aufschaute oder, wenn er besonders gut gelaunt war, die Zigarette einen Moment aus dem Mund nahm. Weiteren Ovationen wurden diese Armen, die von seinen Gehilfen kurzerhand mit Herr „Direktor“ angeredet wurden, seinerseits nicht gewürdigt. Das war er seinem Geschäft und seinen anständigen Kunden gegenüber schuldig.

Selbst Leute, die sonst wirklich etwas bedeuten, wie Assessoren, Rechtsanwälte, Amtsrichter, Bankdirektoren grüßte er nur mit einer leichten Verbeugung, indem er mit müder, diskreter Stimme ihren Titel nannte, den, wie ein Echo, seine acht Angestellten in weißen Tropenuniformen laut wiederholten.

Erst vor Uniformen und Regierungsräten ging er aus seiner Reserve heraus, die in eine gewinnende Liebenswürdigkeit ausarten konnte, wenn es sich dann noch um den Träger eines alten, feudalen Namens handelte.

Noch eine wohlüberlegte Höflichkeitsnote war die: ostentativ herbeizueilen, um jemanden beim Anziehen des Paletots behilflich zu sein, es indessen mit mathematischer Sicherheit stets so einzurichten, daß er zu spät kam und den Betreffenden erst erreichte, wenn dieser seinen Mantel schon anhatte.

Einen gewissen, ehrlichen Respekt hatte er vor anerkannt schwer reichen Leuten, die selbst von den Offizieren zuerst gegrüßt wurden, vor Leuten mit furchtbar

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/097&oldid=- (Version vom 1.8.2018)